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Rot und schwarz. Europas größter Vulkan ist wieder besänftigt. Er sei ja auch nicht wirklich böse, der Ätna, sagen die Sizilianer. Mongibello nennen sie ihn auch, fast liebevoll. Hin und wieder pfaucht er und spuckt Feuer, wie zuletzt im Vorjahr. Aber das ist keine Katastrophe. Im Gegenteil. Es belebt das Geschäft. Die großen Busse klettern nacheinander ins touristische Basislager in 1900 Meter Höhe. Dort werden sie von den kleineren, geländegängigen abgelöst, die noch einmal 700 Höhenmeter schaffen. Wer da oben barfuß gehen will, sollte über eine dicke Haut verfügen. Papier fängt auf dem rauchenden Gestein jedenfalls Feuer. Weiter unten, beim Rifugio Sapienza, ist der jüngste Ausbruch in seiner ganzen Länge zu sehen. Eine erstarrte schwarze Lawine. Die dramatische Version in Rot liefern Videos in den Souvenirläden.

Gelb und blau.

Fünfzig Jahre dauert es, bis auf der Lava wieder etwas wächst: Flechten, Gras. Weitere 200 Jahre, bis Gebüsch und Bäume aufgehen. Aber dann geht's los. Vor schätzungsweise 700.000 Jahren wurde der Ätna aktiv - und zu einer der Hauptgrundlagen der sizilianischen Kultur. Denn die Mineralien aus dem Erdinnern haben den Boden fruchtbar gemacht. Die Vielfalt der Vegetation sucht ihresgleichen. An den Abhängen geht es zwar noch etwas karg zu, das blaue Ätnaveilchen liefert die wenigen Farbakzente. Aber weiter unten schlägt die geologische Langzeitwirkung mit aller Macht durch. Gelb ist die dominante Farbe des Frühlings: Pseudo-Mimosen (die eben nicht mimosenhaft reagieren) mit ihren Blütentrauben, wilder Fenchel, Wolfsmilch, Ginster. Und dazu die Zitronenbäume, die zugleich Früchte tragen und blühen und einen betörenden Duft verströmen.

Gold.

Von den Zitrusfrüchten hat das unmittelbare Hinterland der Bucht von Palermo seinen Namen: Concà d'Oro, goldene Muschel. Ab dem 18. Jahrhundert begann der intensive Anbau von Zitronen und Orangen, ermöglicht durch die neu entwickelten Wasserpumpen. Bis dahin hatte das von den Arabern entwickelte unterirdische Leitungssystem ("kanat") die Bewässerung bewerkstelligt. Wasser wird heute mehr und mehr zum Problem. Die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge ist von früher 900 auf ganze 200 Millimeter gesunken, offensichtliche Folge des Klimawandels. Die natürlichen Binnenseen trocknen aus, die Flüsse versiegen oft schon im April. In Palermo ist Wasser rationiert.

Noch einmal schwarz.

A propos vertrocknen. Empfindliche Besucher sollten auf die Besichtigung verzichten, heißt es im Führer. Gemeint sind die Katakomben im Kapuzinerkloster von Palermo. Dort finden sich rund 8000 mumifizierte Leichen von Vertretern des Klerus und aus betuchten palermitanischen Familien, fein säuberlich aufgereiht oder in Regalen gelagert. Die Männer meist stehend, die Frauen liegend, damit alles seine sizilianische Ordnung hat. Eine eigene Jungfrauenabteilung gibt es auch, sie ist sehr klein. Bis 1885 wurde der für das Kloster sehr einträgliche Brauch praktiziert, immerhin vier Jahre über das behördliche Verbot hinaus. Wenn Sonnenstrahlen und fröhliche Kinderstimmen durch die Luken ins Gewölbe dringen, wird dieses Reich des konservierten Todes tatsächlich zu einer Herausforderung an die seelische Robustheit des Besuchers. Und vermittelt wohl auch etwas Ursizilianisches.

Weiß.

Ursizilianisch, das ist auch die Mandel. Sie befriedigt einen Gutteil des Appetits der Sizilianer auf Süßes, ein arabisches Erbe. Und liefert zugleich die bittere Note mit, die in Geschichte und Gegenwart dieses Landes, in seiner Tradition der Mythenbildung wie in der gesellschaftlichen Realität immer mitschwingt. Das weiße Marzipan ist Basis unzähliger Varianten von Backwerk und steuert das Aroma zum Mandellikör bei.

Braun.

Die Zahl der sizilianischen Schutzmadonnen ist Legion. Ein Volk, das im Laufe seiner Geschichte 13 mal erobert wurde, hat wohl auch Anspruch auf besondere Zuwendung höherer Mächte. Zu jenen, die sich größter Beliebtheit bei ihren Schutzbefohlenen erfreuen, zählt die Schwarze Madonna von Tindari. Eigentlich ist sie braun: eine hölzerne byzantinische Marienstatue mit Jesuskind, die im 9. Jahrhundert vor dem Bildersturm gerettet und im Nordwesten Siziliens an Land geschwemmt wurde, nach dem Untergang des Schiffes. Die Wallfahrtskirche aus dem 20. Jahrhundert ist vielleicht nicht ihrer Architektur, wohl aber ihrer Lage wegen einen Besuch wert: hoch über dem Meer, mit traumhaftem Blick auf eine löffelförmige Landzunge inklusive Lagune. Selbstheilungskräfte verleihe die Madonna von Tindari, heißt es. Und damit liegt sie absolut im medizinischen Trend.

Ocker.

Antike Tempel gibt es viele im Land, dessen Wahrzeichen die dreibeinige Medusa ist, die Trinacria, als Symbol der drei Vorgebirge, die die Fremden abschrecken sollen - was sie offenkundig nicht tun und nie getan haben. Agrigent aber ist ein Muss. Das Tal der Tempel zu Füßen der heutigen Stadt vermittelt mehr als eine Ahnung von der Weitläufigkeit und Erhabenheit der antiken Architektur. Das Verblüffende am Concordiatempel: Er überstand Erdbeben und alle anderen Naturkatastrophen und steht im Wesentlichen heute genau so da wie vor 2500 Jahren. Wie angeblich auch der Olivenbaum in seiner Nähe. Se non è vero, è ben trovato.

Und noch einmal Gold.

Phönizier, Griechen, Römer, diverse Barbarenvölker, Byzantiner, Araber, Normannen, Hohenstaufer, Franzosen, Spanier - und auch die Österreicher dürfen sich zu der ehrenwerten Gesellschaft der zeitweiligen Beherrscher Siziliens zählen. Was die heutige ehrenwerte Gesellschaft, sprich Mafia, betrifft, so gehe ihr Einfluss deutlich zurück, meint unsere Begleiterin Grazia. Man habe wohl erkannt, dass der Tourismus eine der ganz wenigen Zukunftschancen der Insel sei, und vermeide alles, was ihn stören könnte. Ob die Zukunft neues Gold verheißt, steht in den Sternen. Zu welchem Glanz Sizilien es schon einmal gebracht hat, ist im Dom von Monreale zu bestaunen. Die atemberaubend schönen Mosaiken verraten den arabisch-muslimischen Einfluss - und erinnern daran, dass zu jener Zeit, im Mittelalter, auf Sizilien Weltoffenheit und Toleranz herrschten: Jeder Erlass aus dem Fürstenpalast von Palermo wurde in mindestens drei Sprachen verfasst: Griechisch, Latein und Arabisch, dazu kam meist noch Hebräisch.

Wer jetzt noch Anregungen für sein persönliches sizilianisches Mosaik braucht, begebe sich nach Piazza Armerina. In der Villa Romana del Casale, Prachtbeispiel eines römischen Landsitzes, wird es ihm an Inspiration nicht mangeln. Sie muss ja nicht so plakativ wie die Bikinimädchen oder jenes Sujet sein, das der Autor den schönsten Hintern der Antike zu nennen sich erlaubt. (Der Standard, Printausgabe, Josef Kirchengast)

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