Günther & Loredana Selichars Fahrt durch die Natur hinterlässt ein Insekten- Leichenfeld: Videostill aus "Granturismo"

Foto: Selichar
Wien - Der Geruchssinn, der älteste und nachhaltigste unter den Sinnen, fährt direkt ins Stammhirn ein. Vielleicht ein Grund, warum man sich die beiden olfaktorischen künstlerischen Arbeiten zu Making Nature , einer Gruppenschau zur "Natura naturata", am besten merkt, den Rest dieser etwas akademisch daherkommenden Schau meist schnell vergisst. Olaf Nicolai bringt die zunehmend absurdere Branding-Praxis von Unternehmen und die künstliche Schaffung von Neuen Märkten ins Spiel, wenn er den synthetischen Duft SMELL für Bäume entwirft und die schicken Anzeigen dafür in Magazinen platziert. Volker Andresen wiederum, ausgebildeter Landschaftsgärtner und Künstler, setzt einen dänischen barocken Schlossgarten - frühes Beispiel von gezähmter Natur - als 1:1-Modell um. Allerdings in ein gnadenlos aufdringliches wie vergnügliches Seifenland (Soapparka) : WC-Bedufter (Marke Meeresbrise?) dienen als Gartenornament, Wischtücher als Grasflächen, flüssige und pulvrige Tenside als Wasserbecken. Im Umfeld des Augartens, im gleichnamigen Atelier (Zentrum für zeitgenössische Kunst der Österreichischen Galerie Belvedere), machen die von Dieter Buchhart und Petra Schröck kuratierten Naturwunder natürlich besonders Sinn. Nach Waste Land- Landschaftsfotografie also wieder eine der Annäherungen an Natur, das (vermeintlich) "Andere". Ein Thema, das in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts - wie auch des 19. - sicher auch angesichts von Öko-Bewegung & Co in der Kunst einen Niederschlag fand (u. a. "Von der Natur in der Kunst"). Natur wird also gemacht, wir sehen sie mit unseren Augen. Und sehen, was wir sehen wollen. Deshalb schauen die Plexiglas-Vogelhäuschen von Kristin Reynisdóttir aus wie Kathedralen oder Einfamilienhäuser mit Vordach und Terrasse. Abwertend Unkraut genannte Pflanzen, wahre Überlebenswunder, fokussiert Lois Weinberger und simuliert anhand der Pflanzen gesellschaftliche Modelle. Mark Dion hinterfragt die als objektiv geltende Wertung und Kategorisierung der Naturwissenschaften. Seine Erdzeitalter-Treppe Deep Time Closet ist Robert Smithson gewidmet, einem der profundesten Vordenker in dieser Sache. Im Sinne des erweiterten Kunstbegriffes können ja Künstler DJs, Köche oder Masseure sein, also auch Wissenschaftler - wie etwa der Kurator, Künstler und Biologe Buchhart. Er zwingt anhand der Spezies Brennessel, auf 25 Podeste gestellt, den Besuchern modellhaft Verantwortung auf: Public Care. Der menschliche Körper, Schlachtfeld jüngster Kunst/ Naturdiskussionen und heißestes Eisen, wird in der - bereits 1997 konzipierten - Ausstellung ausgeklammert. Schade, denn, wie der britische Kulturtheoretiker Terry Eagleton sagt: "Natur ist nicht einfach das Andere der Kultur. Sie ist auch eine Art von trägem Gewicht in ihr, das einen inneren Riss zeitigt, der sich durch das ganze menschliche Subjekt zieht." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 5. 2002)