Mensch
Krebsrisiko bei Grundnahrungsmitteln
Schwedische Entdeckung sorgt für Aufregung: Acrylamid in Kartoffeln, Reis und Getreide- Produkten - soll durch Backen und Braten entstehen
Stockholm - Eine Untersuchung sorgt derzeit in Schweden für gehörige Aufregung: Grundnahrungsmittel wie Brot, Erdäpfel
und Gebäck, wie sie von Millionen Menschen auf der Welt gegessen werden,
sollen hohe
Konzentrationen von Acrylamid enthalten. Acrylamid gilt als wahrscheinlich krebserzeugende Substanz. Folge der Erhitzung
Bei der Untersuchung des Effektes der Erhitzung auf
Nahrungsmittel wie Getreide, Reis und Kartoffeln hätten Forscher der
Universität Stockholm die Substanz entdeckt, wie die schwedische Nahrungsmittelbehörde "Livsmedelsverket" am
Mittwoch mitteilte. Pommes frites, Ofenbackkartoffeln und Getreideprodukte wiesen bei
hohen Temperaturen eine starke Konzentrationen an Acrylamid auf. Es entsteht diesen Forschungen
zufolge bei der Zubereitung und Erhitzung der Nahrungsmittel.
Der mit Abstand höchste Wert sei dabei in Chips aufgetreten, in
denen 980 Mikrogramm je Kilo gemessen wurden. Die
Weltgesundheitsorganisation WHO sieht als zulässige Höchstmenge für
Menschen die Einnahme von 1 Mikrogramm pro Tag an. Bei Pommes frites
schwankte die Menge je nach dem Grad der Erhitzung beim Frittieren
zwischen 201 und 1104 Mikrogramm.
Der Giftstoff
Die (vor allem langfristigen) Auswirkungen von Acrylamid sind vielfältig und noch nicht eindeutig geklärt: Vergiftungssymptome reichen von reversiblen Hautreizungen bis zu Störungen des Zentralnervensystems.
Die US-Umweltschutzbehörde klassifiziert Acrylamid als einen mittelschwer Krebs erregenden Stoff.
Nach Informationen der internationalen Krebsforschungsgesellschaft
führt es zu genetischen Veränderungen und hat in Tierversuchen gut-
und bösartige Tumore im Magen hervorgerufen. Außerdem sei bekannt,
dass die Substanz das Nervensystem schädigen könne.
Die Entdeckung, dass Acrylamid in hoher Konzentration bei der
Zubereitung der Nahrungsmittel entsteht, sei eine neue Erkenntnis.
Damit könne erklärt werden, dass Nahrungsmittel die Ursache für
Krebserkrankungen seien könnten, sagte der Leiter der schwedischen
Nahrungsmittelbehörde, Leif Busk.
Don't believe the hype?
Andere Wissenschafter äußerten sich vorerst eher skeptisch über diese Erkenntnisse: schon vor 20 Jahren hätte die These, dass Erhitzung zu erhöhtem Krebsrisiko führen würde, große Besorgnis ausgelöst. Dennoch sei der Zusammenhang niemals eindeutig erwiesen worden. Führende Nahrungswissenschafter erklärten übereinstimmend in der
Zeitung "Svenska Dagbladet", die Behörde sei völlig übereilt mit
nicht abgesicherten Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit
gegangen und habe die Krebsgefahr für Verbraucher in
verantwortungsloser Weise dramatisiert.
Der
Epidemologe Anders Ahlbom erklärte in "Svenska Dagbladet", er halte
die Krebswarnung für "in nicht akzeptabler Weise unsicher", da sie
ausschließlich auf Tierversuchen basiere. Die Zeitung "Dagens
Nyheter" meinte in einem Kommentar der Wissenschaftsredaktion: "Die
veröffentlichten Informationen sind weitgehend unzulänglich. Ohne
Fakten verschwindet das Vertrauen."
Mehr Daten nötig
Gerald Moy von der WHO meinte, es sei noch zu früh, aus den schwedischen Forschungsergebnisse Schlüsse zu ziehen. Erst sei eine genauere Untersuchung notwendig - die jedoch durchaus schnell gehen könne.
Von schwedischen Medien befragte Hersteller der durch eine
Zufallsauswahl untersuchten Produkte wie die Hamburger-Kette
McDonald's, der Knäckebrotproduzent Wasa und der in Schweden führende
Chips-Hersteller Estrella äußerten übereinstimmend, sie seien
überrascht von den vorgelegten Ergebnissen, aber zur Zusammenarbeit
bei der weiteren Klärung bereit.
Causa Prima
Nach Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse fiel der Börsenkurs
des finnischen Snackherstellers "Chip" am Mittwoch um mehr als 17
Prozent. Der Nahrungsmittelindex Dow Jones Stoxx Food und der
Getränkeindex Beverage gaben leicht nach.
Alle großen schwedischen Zeitungen haben das Thema aufgegriffen, die Boulevard-Blätter "Aftonbladet" und "Expressen" haben es zu ihren Aufmachern gemacht und heizen die Debatte mit Listen "gefährlicher" Lebensmittel und Umfragen wie "Traust du dich noch Chips zu essen?" an. Die Webseite der Nahrungsmittelbehörde ist unter dem Ansturm besorgter KonsumentInnen zusammengebrochen. (APA/red)