dieStandard.at: Was kritisieren Sie am Entwurf des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) hauptsächlich? Roswith Roth: Vor dem Gesetzesentwurf ist noch das Vorgehen bei der Entstehung dieses Gesetzesentwurfes zu kritisieren: Obwohl medial aufgefordert wurde Stellungnahmen zum Gestaltungsvorschlag des Gesetzes (das war die Vorform dieses Gesetzesentwurfes) Stellung zu nehmen, wurden kaum Anregungen aus diesen Stellungnahmen aufgenommen, d.h. auf die Expertise der direkt Betroffenen wurde verzichten, das hinterlässt insbesondere bei den am Reformprozess intensiv Interessierten einen bitteren Nachgeschmack. Einige Aspekte der Gleichbehandlung wurden eingearbeitet, aber für eine Gesamt-Beurteilung des Entwurfs ist auch die Systemumgebung des Universitätsgesetzes 2002 in Betracht zu ziehen, da erst diese die Rahmenbedingungen vorgibt, in deren Grenzen sich die Tätigkeit der "Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen neu" in Zukunft einzufügen haben wird. Hier sind nun allerdings erhebliche Vorbehalte anzumelden, die auch auf die Bewertung der oben erwähnten Verbesserungen Einfluss haben müssen. Demokratiedefizit und Politisierung der Universität durch den Kreationsmodus des Universitätsrats Die bislang geübte Praxis demokratischer Mitbestimmung durch alle Betroffenen (=Universitätsangehörigen) wird durch eine politische und wirtschaftlich-orientiert Fremdbestimmung ersetzt. Probleme, die sich in der Zusammenarbeit der bisherigen "Gruppen" ergeben haben, sind nur zum geringsten Teil auf die Mitbestimmung zurückzuführen. Man kann den Entwurf als im Grunde demokratiefeindlich klassifizieren. Wo marginalisiert noch Mitbestimmung möglich ist, das ist der Senat nach § 24, der allerdings selber kaum wirklich relevante Entscheidungen zu treffen hat, abgesehen von der Erstellung eines Dreiervorschlags für die Wahl des Rektors (§21 (3). Die Wahl selber erfolgt durch den - externen - Universitätsrat nach § 21(3). Der Entwurf in seiner Gesamtheit ist in vielen Teilen inkonsistent Der Mittelbau - das ist die Gruppe der wissenschaftlich tätigen Universitätsangehörigen hat bisher einen grossen Anteil an Forschung und Lehre an den Universitäten - dieser Mittelbau wird generell abgewertet und hat keine durchgehenden Karrieremöglichkeiten mehr (dazu trägt das neue Dienstrecht bei). Diese Degradierung trifft am Stärksten die habilitierten Personen. Die Habilitation ist die höchste universitäre Qualifikation, die jemand durch eigene Kraft erreichen kann, ob jemand auf eine Professur kommt, hängt davon ab ob eine Position vorhanden ist. Habilitierte dürfen (bis jetzt) selbständig forschen, lehren, Diplomarbeiten und Dissertationen anleiten. Etwa 2/3 der jetzt tätigen Professoren (nicht Professorinnen) wurden in Würdigung ihrer Qualifikation nach der Habilitation ohne Berufung auf Professuren gesetzt. Diese selbsterworbene Qualifikation wird Habilitierten jetzt aberkannt, sie werden zu weisungsgebundenen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen degradiert, anstatt sie, weil habilitiert, mit ProfessorInnen in eine Gruppe überzuleiten dieStandard.at: Das Ziel "Gleichstellung von Frauen und Männern" (§36 - §39) soll unter anderem durch Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen erreicht werden. Diese müssen von den jeweiligen Senaten eingerichtet werden. Inwieweit sehen Sie das Ziel durch die geplanten Maßnahmen erreichbar? Roswith Roth: Dieses Ziel ist unter diesen Bedingungen NICHT erreichbar vor allem wegen der strukturellen Mängel des Gesetzes. Der Senat wird aufgrund der Unterrepräsentation von Frauen in der ProfessorInnenschaft (etwa 5-7% österreichweit) eindeutig männlich dominiert sein. Es liegt daher nahe, dass vor allem männliche Vertreter aus dem Kreis der Universitätsprofessoren bzw. diesen Professoren genehme Professorinnen in den AKGL nominiert werden. Die bisherigen Erfahrungen der Arbeitskreise haben gezeigt, dass die Einsatzbereitschaft von Angehörigen der ProfessorInnenschaft sehr begrenzt ist. Es ist zu befürchten dass Gleichbehandlung zum Papiertiger verkommt. D.h. ein Nominierungsrecht des jeweils amtierenden Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen fehlt und ist zu fordern. dieStandard.at: Im Entwurf ist von Arbeitskreisen für Gleichbehandlungsfragen, Frauenförderungsplänen, von Gleichstellung, Frauenförderung und Gender-Forschung die Rede (z.B. §17). Welche Chancen und Gefahren sehen Sie (v.a. auch aus Ihrer Universitäts-Erfahrung heraus) bei der möglichen (Nicht?)Umsetzung? Roswith Roth: Generell sind im Gesetzesentwurf UG 2002 die Standards der Gleichbehandlung NICHT erhalten, die sich im UOG 93 in Verbindung mit dem B-GBG (Bundes-Gleichbehandlungsesetz) und dem ministeriellen und dem universitären Frauenförderungsplan finden, sondern es sind viele mittelbare und unmittelbare diskriminierende Aspekte für Frauen enthalten. Einige Beispiele für implizite Diskriminierung von Frauen Sämtliche Bestimmungen, die den an der Universität vertretenen Personengruppen unterschiedlich große Handlungs- und Gestaltungsspielräume zuteilen, beinhalten eine mittelbare Diskriminierung von Frauen, da sie mit den unbefristet beschäftigten UniversitätsprofessorInnen durchwegs jene Personengruppe privilegieren, in der Frauen am eklatantesten unterrepräsentiert sind. Benachteiligt werden gerade jene Gruppen, in denen die Gleichstellung und Frauenförderung der letzten Jahre zu greifen begonnen hat: ao. Univ. ProfessorInnen und Univ. AssistentInnen, Frauen als Leiterinnen von Diestleistungseinrichtungen (DLE). Zusammensetzung des Senats Bei einer vom Universitätsrat festzulegenden Gesamtzahl von 12 bis 24 Mitgliedern muss die Anzahl der ProfessorInnen (§ 24 (3)) "die absolute Mehrheit" ausmachen. Dies stellt eine Diskriminierung von Frauen dar, da diese mit einem Anteil von 5-7 Prozent österreichweit in dieser Gruppe nach wie vor eine sehr kleine Minderheit darstellen. Hingegen ist nur eine verschwindend geringe Zahl von "VertreterInnen der wissenschaftlichen und künstlerischen MitarbeiterInnen" vorgesehen, von denen eine Person mit Lehrbefugnis ausgestattet sein muss. (§ 24 (4) Z.2). Gerade in dieser Gruppe sind verstärkt Frauen tätig, die durch deren absolute Marginalisierung neuerlich diskriminiert werden. Dasselbe gilt für das nicht wissenschaftliche Personal, eine Gruppe in der genügend Frauen vorhanden sind. Mitwirkung in Berufungsverfahren (§ 93(3)und (4)): Nur die im Senat vertretenen UniversitätsprofessorInnen können GutachterInnen zur Erstellung eines Dreiervorschlags beauftragen (§ 93(4)), zu dem wiederum nur die ProfessorInnen des Fachbereichs Stellung nehmen dürfen (§ 93(5) und (6)), so dass sich auch hier eine gleich mehrfache strukturelle Diskriminierung von Frauen ergibt - dasselbe gilt für Habilitationsverfahren Übernahme von Leitungsfunktionen (§ 18 (5)): Leitungsfunktionen sind ausschließlich den UniversitätsprofessorInnen vorbehalten. Dies beinhaltet ebenfalls eine implizite Diskriminierung von Frauen, besonders der Gruppe der UniversitätsassistentInnen und Habilitierten, sowie auch der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen im Forschungs- und Lehrbetrieb bzw. bisherige Leiterinnen von DLEs. Diese sind aufgrund der Gleichstellungsgesetze (UOG 93 §§39, 40, B-GBG) zunehmend in Leitungsfunktionen präsent und werden lt. Gesetzesentwurf nun mehr von der Übernahme von Leitungsfunktionen ausgeschlossen Organisationsrechtiche Abwertung der Habilitierten Mit der organisationsrechtlichen Abwertung insbesondere des habilitierten "Mittelbaus" wird gerade jener Teil des wissenschaftlichen Nachwuchses getroffen, in dem die Gleichstellungsgebote des letzten Jahrzehnts eben begonnen hatte, Früchte zu tragen: Organisationsrechtlich sind nach dem Gesetzestext in § 117 gleichgestellt und damit sämtlich weisungsgebunden: die bisherigen UniversitätsdozentInnen (4), UniversitätsassistentInnen (5), nach § 32 UOG 93/ bzw. § 33 KUOG (6), StudienassistentInnen (7) und Lehrbeauftragten (8). Sie alle müssen nach § 95 (1) "eine für die vorgesehene Verwendung in Betracht kommende angemessene Qualifikation aufweisen. Sie haben in ihrem Fach an der Erfüllung der Aufgaben ...in Forschung und Lehre mitzuarbeiten". Den Habilitierten, welche die höchste akademische Qualifikation, die durch eigene Anstrengung erreicht werden kann, besitzen - bei den Frauen konnte seit Bestehen des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Prozentsatz in dieser Qualifikationsgruppe auf 17 Prozent erhöht werden - muss durch eine Überleitung nach § 92(1) das Recht weiterhin "für die Forschung ...sowie für die Lehre in ihrem Fachgebiet verantwortlich" zu sein, erhalten bleiben. Auch Frauen- und Geschlechterforschung (Gender-Studies) ist bedroht, wenn habilitierte Frauen nicht mehr unabhängig auf diesem Gebiet, das nicht im Main-Stream der männlich dominierten Forschung liegt - lehren und forschen können. Aufnahme wissenschaftlicher und künstlerischer MitarbeiterInnen (§ 95) Hier - wie übrigens auch bei allen anderen Personalaufnahmevorgängen - ist das Fehlen von vorgegebenen Formalqualifikationen problematisch. Die Auswahl von geeigneten Personen wird der Willkür überlassen und eine Feststellung von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen wird mangels objektivierbarer Maßstäbe außerordentlich erschwert. Des Weitern ist eine Verstärkung der auch jetzt schon beobachtbaren Tendenz erwarten, Ausschreibungen so speziell zu gestalten, dass sie auf eine ganz bestimmte (i. d. R. männliche) Person zugeschnitten sind. Das heißt aber auch, dass gerade in dem wichtigen Bereich der Nachwuchsförderung selbst bei formaler Einbeziehung der AKGLs eine aktive und wirksame Gleichstellungspolitik nur noch mit deutlichen Einschränkungen möglich sein wird. Es liegt also eine strukturell bedingte Verschlechterung der bisherigen Standards vor. Gleichstellung von Frauen als gesellschaftliche Zielsetzung Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist nun zwar in den leitenden Grundsätzen und Aufgaben der Universitäten festgeschrieben (§ 5, Z. 7, § 6, Z. 9) - allerdings bleibt es im Konkreten bei den Leistungsvereinbarungen wieder den Universitäten selbst überlassen, unter den "gesellschaftlichen Zielsetzungen" dieses Ziel einzubringen - oder auch nicht - und bei der Bestimmung des formelgebundenen Teils des Budgets "jene Indikatoren vorzusehen", die sie jeweils für zweckmäßig erachten (s. § 11 (2), (5) sowie die Erläuterungen zu § 11 (2), (5) und (6)). Stattdessen sollten Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern zwingend als eine der zu berücksichtigenden "gesellschaftlichen Zielsetzungen" vorgeschrieben werden. (Formulierungsvorschlag: "gesellschaftliche Zielsetzungen, insbesondere die Gleichstellung von Frauen und Männern") Frauenfördernde Maßnahmen Frauenfördernde Maßnahmen sind nunmehr in den Satzungen verankert durch die Pflicht zur Erlassung von universitären Frauenförderplänen und die Errichtung einer Organisationseinheit zur Koordination von Aufgaben der Gleichstellung, Frauenförderung und Gender-Forschung (§17, Z. 6 und Z. 7 und § 36). Dass die Gleichwertigkeit von Gender-Studies in Forschung und Lehre nicht mehr studienrechtlich festgeschrieben ist, stellt allerdings eine Schwächung dieses Forschungsbereichs dar. Die zukünftig allein geltenden universitären Frauenförderpläne dürfen jedenfalls nicht hinter den Stand des derzeit geltenden Frauenförderplans des BMBWK zurückfallen. Alle angesprochenen Punkte zeigen sehr deutlich, dass eine Anwendung des politischen Prinzips des Gender Mainstreaming im Falle des vorgelegten Gesetzesentwurfs nur ansatzweise Eingang gefunden hat. Die Nachbesserungen in der Ausgestaltung der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen büßen durch die nicht-partizipative und auch dadurch wenig frauenfreundliche Gestaltung der sonstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen an Wirksamkeit ein. dieStandard.at: Welche Möglichkeiten sehen Sie für Studierende, die gegen die geplante UniStG-Umsetzung sind, aktiv zu werden? Roswith Roth: Der Gesetzesentwurf des Universitätsgesetz 2002 entzieht studienrechtliche Entscheidungskompetenzen den dezentralen und kompetenten Organen (Studienkommissionen) und konzentriert diese bei inhaltlich überforderten Zentralstellen (Senat) - die Studienkommissionen werden abgeschafft. Die Studierenden werden nur mehr marginal eingebunden in die Erstellung der Curricula für Studien und Lehrgänge im Senat auf Vorschlag der UniversitätsprofessorInnen der betreffenden Studienrichtung. In den studienrechtlichen Bestimmungen finden sich offensichtliche Fehler, z.B. die Anzahl der Prüfungen betreffend sind die Aussagen inkonsistent Zu § 62 ist anzumerken, dass Studierende „pro Anlassfall“ höchstens für 2 Semester beurlaubt werden dürfen. Das liegt sogar unter der gesetzlich geregelten Mutterschutz und Elternkarenzzeit, was eine Diskriminierung von studierenden Müttern oder studierenden Vätern, die in Karenz gehen, darstellt. Es ist nicht klar geregelt, dass die Studiengebühren auch tatsächlich an diese Universitäten fliessen, wo die Studierenden sich befinden.