Wien - Wie hoch reichen 120 Meter? a) 120 Meter, b) 160 Meter oder c) 202 Meter? Richtig ist - natürlich - Antwort c). Zumindest in Wien: Weithin sichtbar - und auch als eines der höchsten Bürogebäude Europas beworben - ragt der Millennium-Tower über die Dächer der Stadt und schiebt sich ganz diskret vor die Wiener Hausberge.Schön oder hässlich ist Nebensache Ob das nun schön oder hässlich ist, ist Nebensache. Auf alle Fälle ist es bezeichnend. Und zwar für die Art, in der in Wien Gebäude wachsen: Schaut man nämlich jenes Plandokument an, das der Wiener Gemeinderat einst absegnete, würde man hier ein Bauwerk von 120 - allerhöchstens 140 - Metern erwarten. Bloß: Dass der Turm des Bauunternehmers Georg Stumpf höher (eben 202 Meter) ist, ist unumstritten. Und - ein Schelm, wer Böses dabei denkt - alles ist mit rechten Dingen zugegangen. In Wien ist das gar nicht so schwer. Die Widmung wurde auf 180 Meter geändert "Die Widmung wurde auf 180 Meter geändert", erklärt Gustav Peichl auf Anfrage des STANDARD. Dies sei, so der Architekt des grauen Zinkens, auch nichts Besonderes: Schließlich habe er den ursprünglich - von ihm selbst - als unförmigen Quader für die OMV geplanten 120-Meter Brocken "deutlich schlanker" gemacht - "um die dadurch verlorene Kubatur zu kompensieren", sei die Höhe nach oben geschoben worden. Peichl spricht dabei wörtlich von einer "Freundlichkeitswidmung". Geringfügige Abweichungen Was er nicht erwähnt: Diese Widmung stammt nicht von den Experten, die den Gemeinderat beraten, sondern von interessierten Laien, die im "Bezirksbauausschuss" zusammentreffen: Über den Paragrafen 69 der Bauordnung kann dieser "geringfügige Abweichungen" von der Bauordnung genehmigen. Autonom und rechtens. Das "Hochhaus auf dem Hochhaus" Im Falle des Millennium-Towers, seufzt man im Rathaus, habe man eine Erhöhung auf 160 Meter zur "Geringfügigkeit" erklärt. Wie Peichl aber auf 180 Meter kommt? Ganz einfach: Technische Einrichtungen - etwa Lifthäuser, Motoren oder Kühlauslässe - fallen nicht unter die Widmungsgrenze. Und kein Baukünstler würde die hässlichen Trümmer uneingehaust auf einen Renommierbau stellen. "Und", seufzt man im Rathaus, "jedes Haus hat das Recht auf ein Dach." Dass Technologieverschalung und der Raum unter der Dach- schräge heute Luxuspanoramabüros sind, sei vorher wohl kaum geplant gewesen. Ganz bestimmt. 20 Meter Antenne auf 180 Meter Höhe fielen da kaum mehr ins Gewicht. Der Paragraf 69 wurde in Wien lange geradezu exzessiv angewandt, seufzen Planer im Rathaus - und die Grünen toben: Das "Hochhaus auf dem Hochhaus" (Klubchef Christoph Chorherr) sei bloß ein weiteres Beispiel dafür, wie Stadtplanung in der Praxis funktioniere. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Print-Ausgabe 12.April 2002)