Wien - "Nicht jeder Deserteur aus der Wehrmacht ist automatisch ein Opfer des Nationalsozialismus." Dies erklärte Nationalratspräsident Heinz Fischer (S) am Donnerstag auf die Frage, ob der Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus künftig generell Deserteure als NS-Opfer anerkennen werde. "Wir werden weiter in jedem Einzelfall entscheiden", so Fischer. "Nicht glücklich" sei er aber mit der jüngsten Aussage von Sozialminister Herbert Haupt, wonach österreichische Deserteure für ihre Haftzeiten in NS-Lagern keine Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung angerechnet bekommen. Haupt hatte in der Beantwortung einer Anfrage der Grünen argumentiert, eine Desertion wäre auch nach den österreichischen Gesetzen von 1938 strafbar gewesen. Dieser Argumentation kann Fischer nichts abgewinnen. "Wenn ein Österreicher aus der Okkupationsarmee des Deutschen Reiches desertiert ist, ist das ein großer Unterschied", so Fischer. Ein österreichischer Soldat habe den Eid auf die Verfassung freiwillig geleistet. "Der Eid auf die Hitler-Armee ist ihm aufgezwungen worden". Bezogen auf Entschädigungsleistungen des Nationalfonds sagte Fischer: "Ich würde mich über den Rand des Gesetzes hinausbewegen, wenn Desertion automatisch ein Tatbestand wäre, bei dem keine anderen Umstände mehr geprüft werden müssen." Im Gesetz für den Nationalfonds komme Desertion nicht vor. "Daher ist jeder einzelne Fall eines Deserteurs im Sinne des Gesetzes zu prüfen". Wenn zu einer Desertion andere Gründe hinzu kämen, könne der Betroffene als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt werden. Laut Gesetz erbringt der Fonds Leistungen an Personen, die vom NS-Regime aus "politischen Gründen, aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität, sexuellen Orientierung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder auf Grund des Vorwurfs der so genannten Asozialität verfolgt oder auf andere Weise Opfer typisch nationalsozialistischen Unrechts geworden sind (...)." (APA)