Die Frau, so heißt es, habe sich schreiend am Boden gewälzt. Gekommen war sie in Begleitung des Bischofs von Spoleto. Johannes Paul II. betete und sprach Formeln - vergeblich. "Ich lese morgen für dich die Messe", soll Johannes Paul II. gesagt haben. Und siehe: Francesca sei wieder "normal" gewesen. Später sei sie einmal wiedergekehrt, verheiratet und schwanger.Das Ereignis soll sich im Frühjahr 1982 zugetragen haben, schreibt der frühere Präfekt des Päpstlichen Hauses, Bischof Jacques Martin, in seinem Buch "Meine sechs Päpste". Andere Kircheninsider sprechen sogar davon, Papst Johannes Paul II. habe dreimal das "Gewand des Exorzisten" angezogen. Die römisch-katholische Kirche glaubt an die Besessenheit durch böse Geister oder gar den Teufel. Nachgerade logisch scheint, dass Papst Pius XII. in Adolf Hitler einen "Besessenen" gesehen haben soll. Der angeblich praktizierte Fernexorzismus blieb erfolglos. Seit 1614 gelten genaue Angaben für den Exorzismus. Papst Paul V. ließ damals das so genannte "Rituale Romanum", ein liturgisches Handbuch, herausgeben. 1999, also 385 Jahre später, wurde der Ritus entstaubt. Knapp 90 Seiten umfasst das neue Regelwerk "De Exorcismis et Supplicationibus Quibusdam". Einer, der dieses Dokument, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, in- und auswendig kennt, ist der promovierte Theologe und Psychologe Andreas Resch. Knapp dreißig Jahre lang war der 67-jährige Südtiroler Professor für paranormale Phänomene an der päpstlichen Lateran-Universität in Rom. Er gilt als der Experte im deutschsprachigen Raum und betreibt heute in Innsbruck das private Institut für Grenzgebiete der Wissenschaft (IGW). Den Unterschied zum alten Ritus "De Exorcismis" erklärt Resch so: "Die psychologischen Aspekte finden mehr Beachtung. Heute werden die äußeren Zeichen der Besessenheit nicht mehr als sichere Zeichen gewertet." Anzeichen können das Sprechen fremder Sprachen, eine unnatürliche körperliche Kraft oder eine irrationale Aversion gegen Gott sein. Die Durchführung des Exorzismus, die immer durch einen Priester erfolgt, wird in der offiziellen Form nur durch Erlaubnis des Diözesanbischofs gestattet. Über den Vorgang ist außerdem Stillschweigen zu halten. Er darf weder beobachtet noch gefilmt werden. Die Teufelsaustreibung selbst hat nichts mit Magie zu tun. Der Ritus besteht aus Gesten wie dem Handauflegen, dem Besprengen mit Weihwasser und dem Sprechen von Gebeten. Auszug aus dem Exorzismus nach Papst Leo XIII.: "Vade, satana, inventor et magister omnis fallaciae, hostis humanae salutis . . ." Im deutschsprachigen Raum kennt Resch keinen offiziellen Exorzisten. Wobei es aber "eine Reihe von Priestern gibt", die diese Arbeit verrichten. Auch in Österreich. Er selbst werde fast täglich telefonisch kontaktiert und müsse sich daher völlig abschotten. Viele seien auch enttäuscht, wenn sie hören, dass der Exorzismus nur ein Gebet sei. Resch: "Sie erwarten sich einen starken Spruch und die sofortige Heilung." Er habe das selbst erlebt. "Bei einem angeblichen Spukfall haben alle erwartet, dass ich das Kruzifix auspacke und den Ort spektakulär segne." Der Ort war ein Frisiersalon in Klagenfurt, in welchem im November 1993 aus "unerklärlicher Ursache" Dinge in Brand gerieten. Ein "Scherz", wie Resch vermutete und was dann auch bestätigt wurde. Die Betreffenden hatten daher ein Gespräch mit ihm verweigert. Auch wenn Filme wie "Der Exorzist" (1973) der Öffentlichkeit ein Zerrbild bieten und die Teufelsaustreibung als Gruselschocker inszenieren, gefährlich kann die Teufelsaustreibung allemal sein: Das beweist der Fall Anneliese Michel. Am 1. Juli 1976 stirbt die Pädagogikstudentin aus Klingenbach (Deutschland) in Zusammenhang unter anderem mit einer Teufelsaustreibung durch zwei Priester, die im Auftrag ihres Bischofs handelten. Eltern und Priester wurden später vom Landesgericht Aschaffenburg wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. "Es muss ausgeschlossen werden, dass die Person aufgrund des Exorzismus glaubt, besessen zu sein. Diese Fixierung muss ich schon vorab verhindern", meint Pater Resch über die Gefahren. Schließlich würde die Person dann die Möglichkeit haben, die "innere Stimme" außerhalb von sich zu verlagern. Nicht sie selbst habe das Problem, es komme eben von woanders her. In Folge, so Pater Resch, sei die Person dann nicht heilungs-, sondern hilfsbedürftig. Im "De Exorcismis" wird darauf auch eingegangen. Der Exorzist müsse mit "äußerster Vorsicht und Umsicht" vorgehen. Die Voraussetzungen des zu Behandelnden sollen sorgfältig geprüft und im Zweifelsfall enger Kontakt zu Medizinern und Psychiatern gesucht werden, heißt es. Die Neuerungen gehen auf die Initiative der deutschen Bischofskonferenz zurück. Die Frage der Besessenheit geht die katholische Kirche mit äußerster Zurückhaltung an. Doch, so Resch, sie könne sich hier "nicht einfach aus dem Staub" machen. Das Problem, ob nun jemand besessen ist oder nicht, sei allgegenwärtig, und nicht nur in der katholischen Kirche. Resch: "Tatsache ist, dass es viele Menschen gibt, die das Empfinden haben, von einer fremden Stimme gesteuert zu werden." Dies seien leidende Menschen, die zuweilen nicht in das normale Korsett der Psychotherapie hineinpassten. Bei einem Großteil handle es sich um eine "Sinnproblematik". Die Psychologie könne hier zwar Funktionen aufzeigen, nicht aber Inhalte anbieten. "Während man früher viel zu rasch den Teufel gesehen hat, darf heute diese Frage überhaupt nicht mehr angeschnitten werden", meint der Redemptoristenpater. Frei nach Baudelaire: "Die größte List des Teufels ist es, den Menschen glauben zu machen, dass es ihn nicht gibt." Während hierzulande - wenn überhaupt - im Verborgenen agiert wird, werde Exorzisten in Italien hohe Achtung entgegengebracht. Laut Resch hat fast jede Diözese einen eigenen Priester dafür abgestellt: "Dort hat man gesagt: Wenn wir nichts tun, gehen die Leute zu den Laienexorzisten und so genannten Magiern." In Neapel habe ein Laienexorzist sogar eine wöchentliche Radiosendung bekommen. Dass die Menschen meist den Teufel, selten aber Engel oder dergleichen in sich vermuten, hänge mit dem Angstempfinden zusammen. Die Mehrheit der Menschen sehe immer eher zuerst das Negative, glaubt er. Aber das sei ja auch ein Urgesetz des Journalismus: "Eine gute Nachricht ist keine Nachricht." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31. 3. 2002)