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Foto: Archiv
Der Osterhase ist ja seit jeher Gegenstand heftiger Diskussionen: Bringt er nur die Ostereier, oder legt er sie auch? Ist er vielleicht gar kein Hase mit langen Ohren, der behaarte, sehende und lebenstüchtige Junge in einer Wiesen- oder Feldmulde zur Welt bringt? Womöglich ist er wie all die Zwerghäschen, die als Haustiere gehalten werden, ein kurzohriges Kaninchen, das blinde, hilflose Junge in einem unterirdischen Bau wirft? Am anderen Ende der Welt hält man sich mit solchen Spitzfindigkeiten gar nicht lang auf: In Australien bringt der Oster-Bilby die Eier. Zumindest, wenn es nach der Gesellschaft zur Förderung des Bilby geht: Die setzt sich nämlich alle Jahre wieder vor Ostern dafür ein, dass im "land down under" nicht ein Hase, sondern ein Beuteltier als Osterbote fungiert. Die Wahl ist auf den Bilby gefallen - kein Wunder, denn was die Ohren betrifft, steht der Bilby unserem Meister Lampe in nichts nach. Und für den Eiertransport besitzt er sogar einen Beutel: Zwar ist der nach hinten geöffnet - Bilbys graben tiefe Wohnhöhlen und buddeln auch nach Nahrung, in einen nach vorne geöffneten Beutel könnten dabei leicht Erde und andere Fremdkörper geraten -, doch er kann durch Muskeln verschlossen werden. Der stahlgrau gefärbte Bilby erreicht rund 50 Zentimeter Körperlänge, dazu kommen an die 30 Zentimeter Schwanz. Männchen werden etwa 2,5 Kilo schwer, die Weibchen sind kleiner und leichter. Bilbys hoppeln im Kängurustil umher - und zwar nur nachts. Den Tag verbringen sie schlafend in bis zu zwei Meter tiefen Erdhöhlen. Als Allesfresser futtern sie Früchte, Samen, Pilze, aber auch Insekten und Kleintiere, die sie aus dem Boden graben. Früher war der Bilby weit verbreitet, heute existiert nur mehr die größere Art, der kleinere "lesser Bilby" ist ausgestorben. Schuld daran sind die Einwanderer aus Europa: Die von ihnen nach Australien bewusst oder zufällig mitgebrachten Hunde, Katzen, Füchse und Ratten haben den harmlosen Bilbys zu Millionen den Garaus gemacht. Konkurrent Kaninchen In Australien haben die urtümlichen Beuteltiere, die Marsupialier, vom Roten Riesenkänguru bis zum Wombat nur deshalb überlebt, weil sie auf ihrem Inselkontinent nicht mit den bei der Fortpflanzung und in vielen anderen physiologischen Details überlegenen Plazentaliern konkurrieren mussten. Doch nicht nur eingeschleppte Fressfeinde haben die Bilbys an den Rand der Ausrottung gebracht. Schwer hat's der Bilby vor allem wegen der importierten Kaninchen, die sich in Australien so massenhaft vermehrt haben: Die fressen zwar nicht ihn selbst, aber die Knospen und Gräser, die auch er futtern möchte. Waren Bilbys noch um die Jahrhundertwende auf 70 Prozent der Fläche Australiens heimisch, so existiert heute nur noch eine einzige größere Population von 600 bis 700 Tieren in Südwest-Queensland. Der Bilby ist so gefährdet, dass er zum Maskottchen des Australischen Artenschutzprogramms gewählt wurde. Und die Gesellschaft zur Förderung des Bilby bemüht sich, dem kleinen Beutel-Langohr mit der "Oster-Bilby-Kampagne" zur nötigen Popularität zu verhelfen. Da gibt's Bilbys aus Schokolade und Plüsch, Kinderbücher und Kostüme. Für Nachzuchtprogramme und Schutzgebiete werden Spenden gesammelt. Ein Bilby hat sogar den Mount-Everest erobert: Im Mai '97 erreichte Tashi Tenzing, der Enkel des legendären Sherpas Tenzing Norgai, der mit Sir Edmund Hillary erstmals höchsten Berg der Welt bestiegen hatte, den Gipfel des Everest. An seinem Rucksack hatte er einen kleinen Stoff-Bilby befestigt. In seinem Buch "Tenzing and the Sherpas of Everest" erklärt er, warum: "Mein Sohn hatte ihn mir mitgegeben, und er symbolisierte auch meinen tiefen Wunsch, dass die Wildnisse und die Geschöpfe unseres wunderbaren Planeten beschützt werden." Damit steht der Bilby für eine Osterbotschaft, die nicht nur in Australien, sonden auf der ganzen Welt gehört werden sollte.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31. 3. 2002)