Seit einem halben Jahr läuft die Rasterfahndung in Deutschland nach islamistischen Terroristen, doch die bisherige Bilanz fällt mager aus. Noch hat die Polizei keinen "Terrorschläfer" ausfindig gemacht. Kritiker fordern deshalb ein Ende der Computer gestützten Suche. Die Sicherheitsbehörden mahnen dagegen zu Geduld. Seit dem 1. Oktober haben die Bundesländer Millionen Datensätze durchforstet, etwa von Einwohnermeldeämtern, Universitäten und Elektrizitätswerken. Allein im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen wurden Daten von rund 4,7 Millionen Menschen durchkämmt. 25.000 Verdächtige ausgefiltert Bundesweit filterte die Polizei rund 25.000 meist ausländische Verdächtige heraus. Deren Daten werden nun beim Bundeskriminalamt (BKA) untereinander und mit anderen Kriminaldateien abgeglichen, wie BKA-Sprecher Norbert Unger berichtet. Einen weiteren Vergleich gibt es mit speziellen Datensätzen, die von sicherheitsrelevanten Unternehmen wie Flughäfen und Kraftwerksbetreibern übermittelt wurden. Auch Inhaber von Fluglizenzen zählen dazu. "Zu früh für eine Bilanz" Weil die Fahndung noch andauert, ist es aus Sicht von BKA-Sprecher Unger für eine Bilanz noch zu früh. Erst in diesen Wochen würden "Prüffälle" aussortiert und an die Landeskriminalämter (LKA) zurückgeleitet. "Diese Personen müssen dann nach bewährter kriminalistischer Manier kontrolliert werden", berichtet er. Die entscheidende Phase der Rasterfahndung stehe somit noch bevor. Wann über Erfolg oder Misserfolg endgültig geurteilt werden kann, vermag auch Unger nicht zu sagen. Daten müssen erst abgeglichen werden Auch aus Sicht des deutschen Datenschutzbeauftragten Joachim Jacob ist es für ein Fazit noch zu früh. Zunächst müsse das BKA die von den Ländern übermittelten Datensätze abgleichen und verdichten, sagte Jacob der Nachrichtenagentur AP. Angesichts der neuen Bedrohungslage nach dem 11. September sei die Rasterfahndung eine vertretbare Maßnahme, auch wenn in einem ersten Schritt viele Unbeteiligte erfasst würden. "Selbst wenn am Ende kein einziger Terrorschläfer überführt werden sollte, so ist doch möglicherweise Unruhe in der Unterstützerszene gestiftet worden. Immerhin galt Deutschland als eine Art Ruheraum für Terroristen." Nach Abschluss der Überprüfung müssten aber die Datensätze aller Unverdächtigen sofort gelöscht werden, betonte Jacob. "Das werde ich dann kontrollieren." Rückmeldungen wenig konkret Die vorläufigen Rückmeldungen aus den Ländern sind wenig konkret. Die Innenministerien in Thüringen, Sachsen und Baden-Württemberg verweigerten eine Auskunft. In Nordrhein-Westfalen wurden die Namen von rund 10.000 Ausländern an das BKA gemeldet, wie der Sprecher des Innenministeriums, Ulrich Rungwerth, berichtet. Zurzeit würden rund 70 Personen genauer überprüft, bei denen eine Vielzahl der Fahndungskriterien zutreffe. Dazu befragen Ermittler deren Umfeld oder nähmen direkt Kontakt auf. Auf die Frage, ob sich Aufwand und Ertrag lohnen, antwortet Rungwerth: "Man darf nicht die Dimension des Verbrechens vom 11. September vergessen. Wenn man daran anknüpft, dann ist die Rasterfahndung ein richtiges Mittel, um mögliche Gefahren auszuschließen." In Bayern werden derzeit 2.000 herausgefilterte "auffällige Personen" von der Polizei kontrolliert. In Mecklenburg-Vorpommern wurden 925 Personen erfasst. Terrorschläfer und auch anderweitig Verdächtige wurden dabei nicht ermittelt, wie das Schweriner Innenministerium mitteilte. Die Berliner Polizei sammelte 58.000 Datensätze, die allerdings nach einem Gerichtsbeschluss auf Eis gelegt wurden. Auch in Hessen musste die polizeiliche Sammlung von 250.000 Datensätzen wegen eines Urteils des Frankfurter Oberlandesgerichts komplett gestoppt werden. Derzeit bereitet die CDU/FDP-Regierungskoaltion eine Neufassung des Polizeigesetzes vor. In Niedersachsen haben die Einwohnermeldeämter den Fahndern die Namen von 40.000 Ausländern übermittelt. Diese wurden mit rund 3.800 Studenten verglichen, die aus "bestimmten Herkunftsländern" stammen. Schließlich wurden 1.677 "Prüffälle" an das BKA in Wiesbaden weitergeleitet. Landesinnenminister Heiner Bartling hält die Rasterfahndung nach den Worten seines Sprechers "generell für notwendig, selbst wenn am Ende nichts dabei heraus kommt". Auch in Hamburg, wo drei der Attentäter vom 11. September gelebt haben, hält sich die Polizei bedeckt. Man habe eine dreistellige Anzahl von Personen gerastert, erläutert Polizeisprecherin Christiane Leven. "Davon wurden 50 zu einem persönlichen Gespräch auf freiwilliger Basis eingeladen." (Von Torsten Holtz/AP/APA)