Ein Streifzug durch die Welt des wunderbaren norwegischen Zivildiener-Pops: Morten Abel ist einer der Bewohner
alle Virgin
,
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Der Schein der norwegischen Mitternachtssonne lässt nicht nur bösen Black Metal, sondern auch wunderbaren Zivildiener-Pop erblühen. Ein kleiner Streifzug.
Der Mann im Country-Hemd und mit einer Stimme, die an einen Neil Young nach einem hier besser nicht näher erläuterten Unfall südlich der Gürtelschnalle klingt, stammt trotz genretypischen Nasenbärgesangs nicht aus Nashville, sondern aus Oslo. Er nennt sich St. Thomas und fügt sich mit dem akustisch dominierten Country-Folk seines Debüts
I'm Coming Home
in eine Reihe von Bands, die in den vergangenen Jahren ein paar Vorurteile bezüglich der Musikszene Norwegens zurechtrückten. Denn eine Zeit lang schien es, als wären "dort oben" alle ein wenig vom Elch gestreift, würden überwiegend Black Metal hören, diesen mit Religion verwechseln und auf ihren Kreuzzügen gegen "Un- oder Andersgläubige" nicht nur Kirchen abfackeln, sondern auch vor Mord und Totschlag nicht zurückschrecken.
Bands und Musiker wie Mayhem, Darkthrone, Emperor oder Burzum (dieser sitzt wegen Mordes an einem Mayhem-Mitglied im Knast!) tauchten häufiger auf den Gerichtsseiten als im Kulturteil auf. Nachzulesen sind diese Geschichten in
Lords Of Chaos: The Bloody Rise of the Satanic Metal Underground
, einem akribisch recherchierten Werk von Michael Moynihan und Didrik Soderlind. Abseits von eingeschlagenen Köpfen, einem Mischmasch aus Nazi-Fetischismus, nordischer Götteranbetung und Dumpfgummi-Metal, ließ 1998 der Midnight Choir mit den erschütternd-schönen Balladen seines monolithischen Meisterwerks
Amsterdam Stranded
aufhorchen. Im Vorjahr verursachten die zerbrechlichen Kings Of Convenience mit ihrem Norwegerpulli-Folk-Pop Wohlwollen. Auch 2002 geht die gewaltfreie Offensive aus Norwegen weiter.
Thomas Hansen alias St. Thomas erfüllt sich auf
I'm Coming Home
seine Cowboy-Fantasien. Dabei driftet er manchmal etwas ins Hippie-Leidertum ab. Dann klingt er wie Donovan, wenn dieser einen schlechten Tag hat. Mit seinen dichter instrumentierten Songs stellt sich der nachdenkliche 25-Jährige jedoch in eine Reihe mit Gram Parsons oder Will Oldham - auch wenn er, wie in
Cool Song
, gesteht: "I've never seen a cowboy before."
Ohne Kuhbuben-Ambitionen missioniert Sondre Lerche mit seinem Debüt
Faces Down
in Sachen Gitarren-Pop. Der gerade 19 Jahre alte Lerche überzeugt mit üppigen Arrangements ebenso wie mit introvertiertem Folk: Aus Streichern, dem verinnerlichten Spätwerk der Vier aus Liverpool und ohne Hemmungen, die Gitarre hin und wieder krachen zu lassen, formt er leidenschaftliche Vierminüter, die trotz ihrer Versiertheit nicht altklug erscheinen. Dazwischen schmachtet der durchsichtige Jüngling Balladen zur Akustischen. Elegant und locker, schwermütig und melancholisch beliefert Lerche seine Kundschaft und erfreut beim Hit des Albums,
Modern Nature
, mit einem Duett im Stil von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood.
Als Veteran erscheint da Morten Abel, der zu Hause bereits als Popstar gilt. Abel präsentiert auf
I'll Come Back And Love You Forever
Pop mit Mehrwert. Dieser schlägt sich je nach den zu zeichnenden Stimmungsbildern im Einsatz von Streichern und akustischen Instrumenten nieder oder zielt unter Zuhilfenahme von elektronischen Beats eher auf discotauglichen Wackelpudding-Pop. Im Vergleich zur Kollegenschaft von Lerche oder St. Thomas klingt Abel konsolidiert, was sich jedoch eher in stilsicherem Songwriting als in abgebrühter Routine äußert.
Wem der Insel-Pop-Chauvinismus samt wöchentlicher neuer Starausrufung in den Fachmedien längst wohin geht, ist mit einem Blick nach Norwegen zurzeit jedenfalls gut beraten.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 3. 2002)
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