Forschung & Geschlecht
"Future Living": Als Single oder in ungewöhnlichen Familienstrukturen
Zukunftsforscher Horx analysierte gesellschaftliche Trends - und fand "unabgeholte Männer" und "steigende Geburtenzahlen"
Linz - Einen epochalen Wertewandel, der neue Lebensstile zur
Folge haben und traditionelle wie die Ehe weiter ins Abseits drängen
wird, sagt der deutsche Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx,
Frankfurt/Wien, mit seiner Studie "Future Living" voraus, die am 1.
April veröffentlicht wird. Auszüge daraus präsentiert Horx derzeit
vorab in seinen Vorträgen unter anderem auch in Oberösterreich.
Demnach wird es künftig unter anderem noch mehr Singles geben, aber
auch "Powermum-Familien" und "neue Dienstboten-Familien"."Individualisten auf dauerhafter Bindungssuche"
Das "Zukunftsinstitut" von Horx nahm die künftig wichtigsten
Lebensformen in Deutschland, der Schweiz und Österreich unter die
Lupe. Das hervorstechendste Ergebnis: Die Single-Haushalte weisen
eine weiterhin stark steigende Tendenz auf. Dabei unterscheidet Horx
zwischen unterschiedlichen Single-Typen. Während er nur drei Prozent
der Singles eine entsprechende Lebensphilosophie bescheinigt - also
den Willen und die Überzeugung allein zu leben - spricht er bei allen
anderen von "Individualisten auf dauerhafter Bindungssuche".
Frustsingles
Stark steigen dürfte dabei die Zahl der "männlichen Frustsingles",
der "unabgeholten Männer". Die Erläuterung des Zukunftsforschers
dazu: Mädchen seien heute oft besser als Burschen gebildet und hätten - so zumindest seine These - dadurch auch bessere Berufschancen. Somit wäre die Suche nach einem Versorger im klassischen Sinn obsolet geworden. Das Ergebnis: Immer mehr Männer
zwischen 25 und 40 Jahren werden nicht mehr geheiratet, obwohl sie
dies durchaus anstreben... Horx glaubt, dass diese
Bevölkerungsschicht in den nächsten zehn Jahren um rund 30 Prozent
zunehmen wird.
Kinderlos zusammenlebende Paare haben in den vergangenen Jahren
die höchsten Zuwachsraten erzielt. Daran wird sich - so die Studie -
auch im nächsten Jahrzehnt nichts ändern. Vor allem durch die
zunehmende Berufsmobilität werden immer mehr Menschen über mehrere
Wohnsitze verfügen. Sie werden die Wochenenden oder nur bestimmte
Phasen des Lebens miteinander verbringen. Ihre Anzahl wird sich in
den nächsten zehn Jahren vermutlich vervierfachen.
Gleichgeschlechtliche Gemeinschaften
Ebensolche Zuwachsraten sollten die gleichgeschlechtlichen Paare
erzielen. Mussten sie sich in früheren Jahrzehnten noch verstecken oder
tarnen, haben sie mittlerweile in der Gesellschaft eine neue Position
erzielt, die in den nächsten Jahren den "Lifestyle" mitbestimmen
dürfte. Auf Grund ihrer Einkommenssituation (vor allem durch Tätigkeit in Bereichen wie Kultur, Design, Mode usw.) könnten diese
Menschen zu einer wichtigen wirtschaftlichen Zielgruppe werden. Sie
entsprechen damit aber auch dem allgemeinen Trend der nächsten Jahre,
dass Minoritäten zunehmend an Bedeutung gewinnen.
"Powermum-Familien"
Ebenfalls zu den Lebensformen mit den höchsten Zuwachsraten zählt
Horx zwei weitere, die im Gegensatz zu den boomenden
gleichgeschlechtlichen Paaren in der Tradition ihre Wurzeln haben.
Die eine nennt er "Powermum-Familie", weil sie auf der
Wiederentdeckung der Mutterrolle basiert. Eine "Powermum-Familie"
kann entweder durch eine dominierende Alleinerzieherin in einem
Haushalt ohne Mann oder durch die langzeitige karrierebedingte
Abwesenheit des Mannes begründet sein.
"Neue Dienstbotenfamilien"
Eines haben die Frauen in beiden Fällen gemeinsam: Sie betrachten
ihre Mutterrolle als gestalterische Lebensaufgabe. Die zweite
Renaissance-Form bezeichnet Horx als die "neue Dienstbotenfamilie".
Darunter versteht er wohlhabende, kinderreiche Familien, in denen die
Frauen berufstätig sind und für Arbeiten im Haushalt und in der
Familie MitarbeiterInnen anstellen. Sie leben in diesen Haushalten und
werden damit zu einer Art von Familienmitglied. Von diesen
alten-neuen Lebensformen erwartet Horx in den nächsten zehn Jahren
eine Verdreifachung ihrer heutigen Anzahl.
Apropos Kinder: Die Studie prognostiziert nach den stark fallenden
Geburtenraten in Europa in den nächsten Jahren wieder steigende
Zahlen. Gesellschaftliche Reformen, ein Wertewandel aber auch
wirtschaftliche Anreize würden dafür verantwortlich zeichnen. Als
Beispiel dafür wird in der Studie Frankreich erwähnt, wo schon jetzt
die Geburtenraten merklich angestiegen seien. Keine Trendumkehr sei
im Hinblick auf Scheidungen in Sicht. Ihre Zahl werde weiter
zunehmen, so Horx. (APA)