Aus dem groß angekündigten "Tag des Dialogs" wurde der Tag der Koalitionskrise. Nachdem mehrere Regierungsmitglieder die Gewerkschaften scharf attackiert und sie mitverantwortlich für das Wiederaufleben des Terrorismus gemacht hatten, weigerten sich die Arbeitervertreter, an dem für Dienstag angesetzten Treffen mit der Regierung teilzunehmen.

Nach der größten Gewerkschaftsdemonstration der Nachkriegszeit hat die Nervosität in der Mitte-rechts-Koalition drastisch zugenommen. Lega-Chef Bossi, Verteidigungsminister Martino und Wirtschaftsstaatssekretär Sacconi gingen auf Frontalangriff gegen die Gewerkschaften. Sacconi sagte etwa, der Mord an Biagi sei in der "Welt der Arbeit geplant" worden und auch für Bossi kommen die neuen Terroristen aus dem Umfeld der linken Großdemonstration.

Während sich Martino und Sacconi später für ihre Ausrutscher entschuldigten, setzte Bossi noch nach: Die Gewerkschafter verbreiteten in den Fabriken Lügen gegen die Regierung, das sei der Nährboden des Terrorismus. Das Ende des Dialogs war damit besiegelt, eine allgemein gehaltene Entschuldigung von Premier Berlusconi nahmen die Gewerkschaften nicht an. Mitte April wird ein gemeinsam organisierter Generalstreik Italien lahm legen.

Berlusconi geschwächt

Berlusconi geht deutlich geschwächt aus dem internen Streit an diesem schwärzesten Tag der Koalition hervor. Auch der eilends für Dienstag angesetzte Koalitionsgipfel konnte die Risse in der Regierung nicht kitten. Die Christdemokraten und der Sozialflügel der Alleanza Nazionale fordern offen den Dialog mit den Arbeitnehmern. Der "totale Krieg gegen die Gewerkschaften" sei nicht im Regierungsprogramm festgeschrieben, kritisierte Europaminister Buttiglione die harte Regierungslinie. Die Alleanza steht vor einem entscheidenden Parteikongress, auf dem der Sozialflügel sogar eine deutliche Mehrheit erringen könnte.

Wirtschaftskreise um Minister Tremonti und die Lega Nord stellen sich hingegen gegen jeden Kompromiss. Vor allem Bossis Lega - in Umfragen auf unter drei Prozent Wählerzustimmung abgesackt - versucht verzweifelt, eigenes Profil zu zeigen. Das Regierungsprogramm müsse gegen alle und jeden durchgesetzt werden, meinte Bossi und warnte davor, dass Christdemokraten und Alleanza bereits die Weichen für die Nach-Berlusconi-Ära stellen würden. Trotz überwältigender Parlamentsmehrheit bringe die Regierung wichtige Reformen nicht durch, so die unverhohlene Kritik an Berlusconis Führungsschwäche.

Die Gewerkschaften mobilisieren indes weiter. Am Mittwoch werden in vielen Städten Fackelzüge gegen den Terrorismus durchgeführt.

(DER STANDARD, Printausgabe, 27.3.2002)