Andrea Barta musste sich selbst erfinden. Die Vorgaben waren nicht einfach: 1950 geboren, weiblich, ausgeprägter Erkenntnisdrang und Interesse für Chemie und Biologie; frühzeitiger Verlust des Vaters. Für die Familie stand zum Zeitpunkt der Matura fest: Allein im Lehramt waren Beruf und Familie vereinbar.Da weder Biochemie noch Molekularbiologie Ende der Sechzigerjahre als Studienfächer existierten, schienen die Weichen zur Chemielehrerin gestellt. Doch das Lehrpraktikum verschaffte Klarheit: "Das wollte ich nicht werden." Die Studienreform 1972 bescherte der Studentin die Chance, bei der Einführung der Biochemie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät am eigenen Curriculum mitzuschneidern. Damals verfiel sie der Faszination der genetischen Information RNA und deren Rolle bei der Proteinsynthese in Ribosomen, den Proteinfabriken der Zelle. Zum Postdoc-Studium lockte das damalige Mekka der Klonierer, San Francisco. Dort isolierte die nunmehrige Mikrobiologin eines der ersten Gene überhaupt - jenes fürs menschliche Wachstumshormon. Trotz sensationeller Möglichkeiten während des Gentech-Aufbruchs in San Francisco zog es sie nach eineinhalb Jahren machtvoll zurück nach Wien. Hier warteten der künftige Ehemann und ein zur Familiengründung gedeihlicheres Umfeld als in den USA. Und ein verheißungsvolles Angebot von Mentor und Biochemiker Hans Tuppy: Sie würde ganz unabhängig eine Arbeitsgruppe für RNA-Forschung aufbauen und die eigenen Ideen verwirklichen können. Die waren offenbar gut. "Unsere schon 1984 gemachte Vorhersage, dass das aktive Zentrum des Ribosoms wahrscheinlich nur aus RNA besteht, wurde 2000 durch Röntgenstrukturanalyse bestätigt." - Der springende Punkt für Andrea Bartas Wissenschafterinnentraum: Wenn RNA aus sich selbst heraus in der Lage ist, die richtigen Informationen zur Synthese der Lebensbausteine zusammenzustellen, so bedeutet das nichts weniger, als dass RNA den "Schalter" zum Leben kontrolliert. "Wenn ich mir etwas wünschen darf, so möchte ich wissen, wie dieser Mechanismus abläuft." Enttäuschung klingt durch, wenn Barta erzählt, dass es in den Naturwissenschaften trotz steigender Studentinnenzahlen nur wenige Frauen in Spitzenpositionen schaffen. "Als ich hier anfing, gab's nur eine Lehrstuhlinhaberin, und daran hat sich bis heute nichts geändert." Über Engagement in Kommissionen und Netzwerken hofft sie, die Aussichten zu verbessern. Auch ihre 17-jährige Tochter zeigt schon einen Hang zur Chemie. Ja, und einen Abend pro Woche geht Andrea Barta wieder in die Tanzschule - mit ihrem 13-jährigen Sohn. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 3. 2002)