Neben Briten spielen auch Ottakringer neuerdings Bingo
Redaktion
,
Wien
- Früher einmal, da war
Michael Herz Croupier. Aber
eigentlich nur, weil es in Österreich keine Bingohallen
gibt. Denn der Jagd nach dem
Kreuzerl über der richtigen
Nummer galt von Jugend an
die Liebe des heute 41-jährigen Wieners. Die Elfenbeinkugel war nur ein Ersatz. Ein
schwacher.
Spleenig, gab der Herr im
leicht speckigen Smoking und
dem gerade nicht zu öligen
Moderatorencharme Freitagabend dann bei der Eröffnung
des ersten österreichischen Bingo-Clubabends im Ottakringer Gasthaus Vorstadt zu,
ist es ja auch, wenn erwachsene Menschen mit triumphierender Miene "Bingo" brüllen.
Und sich dann wie die
Schneekönige über einen
Russischkurs, einen Besuch
beim "Friseur Denise", einen
Schminkkurs, ein Motorradwochenende oder einfach ein
Achterl Rot freuen. "Wir haben bei den Unternehmern in
der Nachbarschaft geschnorrt,
das alleine war schon
hochlustig", erläutert
Vortstadt-Wirtin Hannah
Neunteufel. Spleenig, aber
halt auch ziemlich lustig.
Und fesselnd. Sie zweifeln?
Na dann setzen Sie sich einfach selbst hin und versuchen,
ihr Nummerntaferl zu hypnotisieren, während im Hintergrund leise "The Winner Takes It All" läuft. Wenn Herr
Herz seine Zahlen aus dem
Sektkübel holt ("Höre ich da
vielleicht schon Bingo?"), liegt
tatsächlich ein Prickeln in der
Luft. Und zwar jenes, das Kasinos, Lottoziehungen & Co. so
verzweifelt und mit enormem
Aufwand künstlich herstellen
wollen - und immer scheitern. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.3.2002)
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