Wirtschaft
ÖGB-Präsident Verzetnitsch: In Infrastruktur investieren
"Deregulierung und Sozialabbau gefährden Wirtschaftsstandort"
Stoob/Wien - Die Sicherung des Wirtschaftsstandorts
Österreich war am heutigen Freitag ebenso ein Thema bei einer
Konferenz des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ÖGB im
burgenländischen Stoob wie die Privatisierung und die Zukunft der
staatlichen Beteiligungsholding ÖIAG. Die Tagung ist Teil der
Veranstaltungsreihe zum Thema "Startschuss Zukunft", deren Ergebnisse
der ÖGB im Juni präsentieren will. Unter den Teilnehmern befanden
sich neben führenden Gewerkschaftern wie ÖGB-Präsident Fritz
Verzetnitsch auch renommierte Wirtschaftsforscher und
Belegschaftsvertreter. ÖGB-Chef Verzetnitsch zeigte sich über die Zukunft des
Wirtschaftsstandorts Österreich besorgt: "Weitere Deregulierung und
der damit verbunden Sozialabbau sind das falsche Rezept". Die
Regierung solle Infrastrukturprojekte vorziehen und massiv in die
Aus- und Weiterbildung investieren, sagte der ÖGB-Chef in Stoob. Laut
EU-Studien hätten großzügige Investitionen in Infrastruktur und
Bildung in den vergangenen Jahren zwei Millionen Arbeitsplätze in der
EU geschaffen.
Wettberbsfähigkeit wird durch hohe Beiträge nicht belastet
Stephan Schulmeister vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo
verteidigte in seinem Beitrag den Sozialstaat: Dieser sei keineswegs
nur ein Kostenfaktor, sondern bringe auch Nutzen für Unternehmen und
Gesamtwirtschaft. Der Sozialstaat trage auch wesentlich zur Milderung
von Rezessionen bei. Ein stärkerer Zusammenhalt der Gesellschaft und
soziale Sicherheit ihrer Mitglieder komme auch der Wirtschaft zugute,
"denn Angst und Ausgrenzung sind Feinde von Kreativität und
Produktivität", so Schulmeister.
Heimische Unternehmen würden durch Beiträge zur Kranken-, Unfall-,
Pensions- und Arbeitslosenversicherung zwar stärker belastet als in
anderen Ländern. Die Wettbewerbsfähigkeit werde dadurch aber nicht
nennenswert beeinträchtigt, meint Schulmeister. Die Gewinneinkommen
würden nämlich stärker wachsen als die Löhne, zweitens konnten
österreichische Unternehmen ihren Marktanteil bei Exporten erhöhen.
Das im internationalen Vergleich gute Bildungswesen sei ein
wesentlicher Ertragsfaktor.
"Antizyklische Politik"
Österreich sei in den Jahren 1970 bis 1983 gemessen am realen BIP
pro Kopf zu Kaufkraftparitäten um 12 Prozent über dem EU-Durchschnitt
gewachsen, habe seinen Wachstumsvorsprung gegenüber anderen hoch
entwickelten Ländern aber wieder verloren, sagte Markus Marterbauer
vom Wifo. Auch zwischen 1989 und 1993 habe sich die heimische
Konjunktur gegenüber anderen Volkswirtschaften günstig entwickelt,
wozu positive Effekte der deutschen Wiedervereinigung und der
Ostöffnung beigetragen hätten.
Der Wachstumsvorsprung wurde aber in der zweiten Hälfte der
neunziger Jahre verloren, 2000 und 2001 habe Österreich sogar einen
markanten Wachstumsrückgang gegenüber dem EU-Durchschnitt
aufgewiesen. Marterbauer macht dafür vor allem die Politik der
Budgetkonsolidierung verantwortlich. Längerfristig mache sich auch
eine "ungünstige Investitionsstruktur" bemerkbar. Der Wifo-Experte
empfiehlt eine Rückkehr zur antizyklischen Wirtschafts- und
insbesondere Budgetpolitik sowie eine "Reorientierung zu Gunsten
aktiver Innovationsstrategien mit Schwerpunkt auf Forschung und
Entwicklung, Qualifizierung, Bildung". (APA)