Geschlechterpolitik
Werbesujet mit Schwangerer und Ei geht vor Verfassungsgerichtshof
Ärztekammer wirft IVF-Experten Feichtinger "marktschreierischen und anstößigen" Umgang mit Thematik vor
Wien - "Als Gynäkologe und IVF-Spezialist sind
Schwangerschaften das Ziel meiner Tätigkeit. Ich kann also in einem
Plakat mit einer nackten Schwangeren nichts 'Anstößiges' oder
'Marktschreierisches' sehen." - So kommentierte der Wiener Fachmann
Univ.-Prof. Dr. Wilfried Feichtinger bereits im Juni vergangenen
Jahres ein Urteil des Disziplinarrats der Österreichischen
Ärztekammer, das gegen das Institut für Sterilitätsbetreuung, an dem
er angestellt ist, erging. Dem Institut war ein Plakat zur Last
gelegt, das Ende 1999 plakatiert worden war. Da einem Einspruch nicht
stattgegeben worden war, geht Feichtinger jetzt vor den
Verfassungsgerichtshof. Ein Detail am Rande: Das Plakat hatte die Frau
Feichtingers gezeigt.Schwangere mit einem Ei in der Hand
Der Poster hatte aus Anlass der Übersiedlung von Feichtingers
Institut Werbung gemacht - das Bildsujet: eine nackte Schwangere mit
einem Ei. Das rief den Disziplinarrat der Ärztekammer auf den Plan.
Auftraggeber der Plakataktion war übrigens die Frau des Gynäkologen
als Geschäftsführerin des Instituts. Feichtinger und sein Kollege Dr.
Peter Kemeter waren 1982 die medizinische Väter des ersten
österreichischen "Retorten-Babys".
IVF-Experte mit ausgezeichnetem Ruf
Der Gynäkologe, der beispielsweise mit mehr als 800
IVF-Behandlungen an seinem Institut im Jahr 2000 österreichweit die
meisten derartigen Therapien bei kinderlosen Paaren durchführte und
auch international einen sehr guten Ruf genießt, hatte vor der
Plakataktion seine Standesvertretung - die Wirtschaftskammer -
befragt. Laut Feichtinger hatte diese eindeutig erklärt, dass das
Institut für sich werben dürfe. Auch die Ärztekammer hätte keine
Einwände geltend gemacht. Nur "marktschreierisch" hätte die Werbung
eben nicht sein dürfen.
Verfassungsgerichtshof soll eingeschaltet werden
Die im vergangenen ausgesprochene bedingte Verurteilung zu einer
Geldstrafe von 30.000 Schilling ließ das Institut nicht auf sich
sitzen. Der Gynäkologe: "Mir geht es ums Prinzip." Doch der Einspruch
brachte nicht die völlige Aufhebung des Ersturteils. Damit entschloss
sich Feichtinger jetzt, den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Der
Rechtsanwalt des IVF-Instituts entdeckte außerdem, dass zum Zeitpunkt
der Plakataktion die alte Werberichtlinie, auf die sich das Urteil
berief, nicht mehr in Kraft gewesen sei.
"Das Erkenntnis der Ärztekammer erfolgte daher ohne gesetzliche
Grundlage. Dies widerspricht dem verfassungsrechtlich gewährleisteten
Recht 'Nulle poena sine legem', das besagt, dass Handlungen
respektive Unterlassungen nicht verurteilt werfen dürfen, wenn diese
zum Zeitpunkt der Begehung nicht strafbar sind", hieß es jetzt in
einer Aussendung des Instituts. (APA)