... seinen heiligen Zorn über das Sakrileg des Karikaturisten Haderer nicht in der "Krone", sondern in der "Presse" entladen zu haben, rasch entladen würde. Da er dem gesalbten Kolumnisten als Buße für solche Hoffart nicht gut zehn Cato unser auferlegen kann, ließ er seinen Ärger darüber, dessen Protest im Wortlaut aus der "Presse" nachdrucken zu müssen, an dem Blatt aus, das diesen Diebstahl geistlichen Eigentums verantwortet.

Dem ist wirklich nichts hinzuzufügen, war Mittwoch in der "Krone" im Anhang an den Raubdruck der Bannbulle zu lesen - mit der Hinzufügung: Es ergibt sich nur die Frage, warum "Die Presse", im Eigentum des Katholischen Pressvereins stehend, den Artikel ihres Kardinals als Gastkommentar bezeichnet und eine Bemerkung beigefügt hat, die man leicht als Distanzierung empfinden könnte: "Die Meinung eines Gastautors muss sich nicht mit jener der "Presse" decken.

Dass Wolf Martin bei der ersten Gelegenheit Haderer auf Vernaderer reimen würde, war vorauszusehen, aber auf so subtil jesuitische Art die katholische Maske vom Gesicht gerissen zu bekommen, muss die im Eigentum des Katholischen Pressvereins stehende "Presse" kaum weniger schwer getroffen haben als der Blitz der Media-Analyse nur einen Tag später. Weil indes Verzeihen eine Tugend unter Christenmenschen ist, kann man es auch als medienpolitischen Gnadenerweis betrachten, dass ihr der Herausgeber der "Kronen Zeitung" großmütig seine Eigentumsrechte am Kardinal überlassen hat, wie aus der zweifellos sorgfältig bedachten Formulierung hervorgeht, "Die Presse" habe den Artikel ihres Kardinals als Gastkommentar bezeichnet.

Der Eigentumstitel gilt zumindest bis Sonntag, und diese Frist hat "Die Presse" schon ausgiebig genützt, meldete sich nach Gerhard Haderers Mahnung zu christlicher Coolness vom Dienstag gestern Thomas Chorherr zu Wort, um zu demonstrieren, dass man Haderers Buch nicht gelesen haben muss, um auch etwas dagegen sagen zu können. Seien wir froh, daß Haderer - obgleich "rechtzeitig vor Ostern" - in seiner Jesus-Biographie wenigstens die Kreuzigung ausgenommen hat. Fiel dem Gotteslästerer gar nicht ein, ließ er doch einen der geschäftstüchtigen Jünger nach Bildhauern und Schnitzern rufen, den schlafenden Meister in dieser wundervollen Stellung abzubilden.

Auch an dem oft gehörten Gemeinplatz kann Chorherr nicht vorbei: Kein Karikaturist würde es wagen, die beiden anderen monotheistischen Religionen, den Islam und das Judentum, durch Witzzeichnungen zu verspotten. Als ob dies gar so nötig wäre! Hat doch die katholische Kirche selber mit ihren Kreuzzügen und ihren Judenverfolgungen das Ihre nicht nur zur Verspottung der beiden anderen monotheistischen Religionen beigetragen, sondern wo irgend möglich auch gleich zu deren Ausrottung. Nur Karikaturisten von heute geben sich mit halben Sachen zufrieden.

Dass auch die Geißel Dichands dieser geschäftlich induzierten christlichen Selbstbemitleidung zu huldigen hat, war so klar vorherzusehen wie Wolf Martins Reimerei. Fortschrittliche Geister haben ihre festen Grundsätze, legte Günther Nenning Wert auf Unterscheidung von denselben: allen Religionen die höchste Achtung, dem Christentum Spott und Hohn. Regen sich die Christen auf, gilt für sie nicht die Wohltat der Meinungsfreiheit, sondern es sind einfach Reaktionäre. Wenn Reaktionäre in diesem Land nicht der Wohltat der Meinungsfreiheit teilhaftig wären, hätte Dichand sein Blatt schon längst zusperren müssen.

Trotzdem bin ich für christliche Offensive, trotzdem freu ich mich, wenn sich wer traut und endlich einmal zurückhaut. Und ist die Freude auch nicht ungetrübt, weil zuerst in der "Presse" zurück-, beziehungsweise hingehaut wurde - man ist dabei. So darf ein Leser unter dem Titel Schönborns Protest enthüllen: Doch wie jeder moderne Künstler orientiert sich Gerhard Haderer bloß am "Markt" in Angebot und Nachfrage. Und da im Hintergrund der Exzesse ein primitives, pseudointellektuelles Publikum von zahlungskräftigen hochgekommenen Proleten an Häresie sich delektiert, produziert der "Künstler" der Nachfrage entsprechend. Der scharfsinnige Durchschauer des modernen Künstlers schreibt nur leider ständig vom Kabarettisten Gerhard Haderer, meint aber offensichtlich den Karikaturisten Josef Hader. Vor Gott ist alles wurscht.

Was ein Edwin Baumgartner Dienstag in der "Wiener Zeitung" unter dem Vorwand einer Rezension des Haderer-Buches von sich gab, entlarvt Christoph Schönborn als ausgesprochen lau im Glauben. Den sollte sich Dichand als Sonntagsprediger einkaufen, dann könnte er den Kardinal auf Dauer der "Presse" überlassen.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. März 2002)