Nur jene, die singen, sind hier noch Helden: Die amerikanische Band Firewater beehrt Österreich mit drei Konzerten und einem herzzerreißenden Repertoire, das den Fatalismus zelebriert. Ein Band-Porträt.
von STANDARD-Mitarbeiter Paul Poet
Wien - Wenn eine Bilderallianz zwischen Wien und New York Sinn macht, dann ist es das Zelebrieren des Kaputten, das Gelächter über die Hässlichkeit der Welt. Die Welt der US-Rocker Firewater ist sicher keine schöne, also geeignet. Monochromer Fatalismus. Amerika zwischen Weimarer Dekadenz und dem Jeder-frisst-jeden-Gestus des Film noir. Nur die, die singen, sind Helden. Betrunken, "homeless", aber Helden. Und es hört sich auch an wie die Wiedergeburt der großen schwarzen 80er-Romantiker.

Nick Caves nach Gott und Huren schreiender American Gothic. Tom Waits im ekstatischen Weill-Fieber. Die stolpertanzenden frühen Pogues. Keine Band hatte seitdem ein so befreiendes Fass herzzerreißender Songs angeschlagen. Und keine hatte es gewagt, dieses so pompöse Kulturerbe mit leichter Popper-Hand neu zu schreiben. Garbage und Blur für den denkenden Untergrundler, sozialisiert mit Bourbon. Im Krater blühen wieder die Bäume.

Tod A. (respektive Ashley), Chefcrooner der Combo, hält sich über Einflüsse bedeckt. Überhaupt hört er momentan nur alte Zirkusorgeln - "echte mechanische Musik!" Die Inspiration heißt Martin Amis, Bukowski, Celine. Und Milan Kundera. "Der schreibt hochpolitisches Material, ohne politisch, sondern ganz persönlich zu sein." Musik bei Songs sei eine beliebige Instrumentierung, um Geschichten zu erzählen. "Ich mag nur echte Stories. Sachen, die sich aus zufälligen Begegnungen ergeben. Ich bin ein Magnet für die Kaputten, die anfangen, die Lebensgeschichte zu erzählen. Und dann komm' ich mit Zigaretten und Bier wieder, setz mich auf die Straße in den Pappkarton und höre zu."

Trotz kontinuierlicher Spitzenposition in den Jahrescharts des US-Rolling Stone und des US-weiten College-Radios CMJ, blieben Firewater ein exklusiver Geheimtipp. Die Kultgefolgschaft ist um so treuer und seziert auf www.fireh2o.com Tod's Lyrics aus Verschwörungstheorien und Near-Death-Erlebnissen. 1996 nutzte Tod einen kurzen Knastaufenthalt, um von der Vorgängerband Copshootcop abzuspringen. Deren beißende Industrialschmachtfetzen standen zwar knapp vor dem Weltruhm, den Korn, Trent Reznor und Rammstein einkassieren sollten. Das Korsett aber war zu eng geworden:

"Und ich hatte die Schnauze voll, mit Junkies zusammen zu spielen, die mitten in der Aufnahme wegpennten. Ich wollte auch mehr Humor und Schönheit." Die erste Platte Get off the Cross...we need the Wood for the Fire war ein gutes Dutzend in der Zelle runtergeratterter Seelenkracher, für die Tod jede Menge Kumpels zusammen telefonierte. Ein Dream Team: Jesus Lizard, Laughing Hyenas, Soul Coughing, Foetus, Mitglieder der New Yorker Klezmer und Avantjazz-Szene, die sich das Herz aus dem Leib stemmten und ein Meisterwerk hinterließen, dann verschwanden.

Tod, der clevere Berufsverlierer, verschwieg das und tourte in Folge mit anderen Leuten, die mit diesem Mahlstrom aus raunzertem Bruchgesang, Barfly-Bop, Trinkertango, Cabaret-Geklimper, Ethno-Touch und Rock-Gassenhauer kaum mithalten konnten. So kollabierten trotz hinreißender Songs Teile der Folge-CD und Livedates im Kater der Durchschnittlichkeit. 2002, das Jahr der großen US-Depression in Sachen Selbstverständnis, lässt Firewater aufleben.

Die größte Schönheit findet sich in der Katastrophe. "Es ist momentan alles in einem Schock-Zustand. Die Leute gehen kaum weg und wenn, dann ist die Stimmung in den Clubs gedämpft, aber auch suchend." Verschlankt auf reine Trällergestik, featuret die aktuelle Psychopharmacology-CD präzisestes Songwriting von der schwülstigen Weite eines Brel und Walker mit dem Kick von Edwyn Collins und Elvis Costello. Und der zynische Säuferonkel steckt natürlich auch noch drin. Nicht umsonst schreibt sich ein Lied aus der Perspektive einer Black Box im abstürzenden Flugzeug.

Große Grazie

"Wir waren gerade bei unserem Label, sechs Blocks vom WTC, als es krachte. Wir sahen das zweite Flugzeug reinknallen und die Leute aus den Fenstern springen. Wenn dich der Anblick nicht verunsichert, was dann?!" Drei Jahre Majorvertrag mit Universal ohne eine Plattenaufnahme überhaupt zu beginnen, etliche persönliche Tragödien, darunter der Selbstmord von zwei Freuden, hatten die Band zusammen geschweißt. Und gerade durch süßlichste, Zahnplomben kitzelnde Harmonien das Chaos aufzuarbeiten, verleiht ihr jetzt eine unvergleichliche Grazie.

"Ich hatte oft überlegt, mich wegzublasen. Aber es ist wie im Kino. Ich hab' die zehn Dollar Eintritt bezahlt. Und wenn der Film schon nach fünf Minuten saugt, will ich das Ende sehen. Siehst du, ich bin Mr. Positive! Musik ist meine Therapie!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.03. 2002)