Medien
"Notfalls auf die Barrikaden" ("DER STANDARD", 22.6.1994)
Wien - Unmißverständlich reagierte die Belegschaft des Kurier auf
Montag bekanntgewordene Umstrukturierungspläne seitens des deutschen
Minderheiteneigentümers WAZ: Redakteursausschuß und Betriebsrat
protestierten in einer gemeinsamen Resolution gegen eine mögliche
Neupositionierung des Kurier als Regionalblatt und drohten "notfalls
auch auf die Barrikaden zu steigen."
Geheimprotokoll Unterdessen sorgt ein "Geheimprotokoll" für intermedialen
Gesprächsstoff: Es handelt sich dabei um Aufzeichnungen eines
ORF-Redakteurs, der am 13. Juni zufällig im Restaurant Palais
Schwarzenberg Zeuge eines Gesprächs der Krone-Bosse Dichand und
Dragon mit führenden Herren der WAZ (u. a. Günter Grotkamp, Erich
Schumann) geworden ist.
Was er dabei gehört und mitgeschrieben hat, deckt sich
inhaltlich im wesentlichen mit dem gestrigen, auf Kurier-internen
Informationen beruhenden Bericht des Standard: heftige WAZ-Kritik an
Peter Rabls Reformkonzept, verbunden mit der dringenden Anregung der
Essener Konzernchefs, die bundesweite Tageszeitung Kurier in ein
Regionalblatt für Ostösterreich umzufunktionieren.
Details des Protokolls sind in der neuesten Ausgabe von News in
einer Dokumentation von Alfred Worm festgehalten, den der Ohrenzeuge
über sein Schwarzenberg-Erlebnis informiert hat. Ob auch Peter Rabl
und/oder andere Personen in und um den Kurier zu den Adressaten
zählten (ein Insider schreibt sogar Ex-VP- Mediensprecher Ferdinand
Maier eine tragende Rolle im inoffiziellen Informationskarussell zu)
ist ungewiß.
Fest steht dagegen, daß die WAZ-Chefs ihrerseits schon am 15.
6. über ein Protokoll der Schwarzenberg-Plauderei verfügten und sich
anhand dessen bei Alfred Worms Recherche zu allerlei
Zurechtrückungen veranlaßt sahen. Zum Beispiel so: "Frage: Soll der
Kurier neuerlich umstrukturiert werden? Antwort Grotkamp: So stimmt
das nicht. Es war im Herbst 93, vor dem Relaunch, als Kollege
Schumann darauf aufmerksam gemacht hat, man möge sich doch das
Hamburger Abendblatt einmal angucken. Dieses Beispiel wäre unserer
Meinung auch als Vorild für den Kurier geeignet gewesen." Im
übrigen, so Grotkamp laut News, habe er darauf aufmerksam gemacht,
daß sich der Kurier nicht über ganz Österreich ausbreiten, sondern
auf OÖ, NÖ und Wien - "als Großraumzeitung" beschränken soll.
Soviel zum Dedektivischen und zur Kunst der Relativierung. Zur
Sache selbst meldete sich am Dienstag außer den Kurier-Redakteuren
nur die Journalistengewerkschaft zu Wort: Sie sei, heißt es in einer
Aussendung, über die Entwicklung im Kurier "besorgt", und kündigte
an, "den Kampf der Belegschaft mit allen Mitteln zu unterstützen."
("DER STANDARD", 22.6.1994)
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