"Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht." Neues ORF-Gesetz Zweieinhalb Monate ist das neue ORF-Gesetz vollständig in Kraft. Die Belegschaft der Anstalt rätselt weiter über Regelungen, nach denen sie schon arbeiten soll. Mit guten Gründen, ergab Dienstag ein Workshop. Verfassungsrechtler Heinz Mayer etwa formuliert drastisch, als er vernimmt, wie viele der gut 1500 Wahlberechtigten für die Redakteursvertretung nicht angestellt sind: mehr als zwei Drittel. Gerade erst hat Mayer Beamte und insbesondere Richter herangezogen, um zu klären, was der Gesetzgeber mit Unabhängigkeit meinen könnte. Nur die sind pragmatisiert, genießen also besonderen Kündigungsschutz. Im ORF gibt es für Freie befristete Dienstverträge, die man auch simpel nicht verlängern kann. "Unvereinbar" mit den Unabhängigkeitsregeln nennt das Mayer, im Gegenteil "extrem abhängig" sei die Situation. Er sieht "gravierenden Widerspruch, wenn man es mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ernst meint". Arbeitsrechtler Robert Palka will das "so dramatisch" nicht sehen. Sonst würden mit der "Pflicht" zur Unabhängigkeit Freie Mitarbeiter "de facto abgeschafft" (der Küniglberg verhandelt gerade neue Regelungen für diese). Mayer hat mehr Kritikpunkte. Das erst wieder eingeführte Weisungsrecht des ORF-Generals finde Grenzen am Pflichtparagrafen: Mitarbeiter "können nicht gezwungen werden, einen Beitrag zu verfassen oder unterlassen". ORF-Rechtsexperte Wolfgang Buchner wendet ein, der Generalin müssten "gewisse Untersagungsmöglichkeiten" zukommen. Mayer sieht die nur in grundlegenden Programmrichtlinien. Und ist schon beim nächsten Problem: Nebenverdienst könnte die Unabhängigkeit beeinträchtigen - bei Beamten gälten da schon Grenzen von zehn Prozent des Einkommens. Mit ein paar Moderationen für Firmen etwa sind die schnell erreicht. "Ersatzlos streichen" möge man diesen Paragrafen, fordert denn auch Kommunikationswissenschafter Roman Hummel. Objektive und unabhängige Berichterstattung fordere das Rundfunkgesetz anderswo längst. Redakteursratschef Fritz Wendl will dem Paragrafen zumindest intern Anhaltspunkte für die Arbeit zur Seite stellen, wozu auch der Workshop diente. Hilfreich dabei der Spruch des Bundeskommunikationssenates zur haiderkritischen "ZiB"-Analyse von Hanno Settele: Dessen "kommentierenden, pointierten Wertungen" seien gesetzeskonform. (fid/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.3.2002)