International
Historiker Hobsbawm: USA wollen die Weltherrschaft
Es gebe "keinen vernünftigen Grund, sich bei einem Krieg gegen den Irak auf Seiten der Amerikaner zu engagieren"
Hamburg - Der britische Historiker Eric Hobsbawm (84)
hat massive Kritik an den USA geübt. "Man muss sich wirklich über die
gegenwärtige amerikanische Politik sorgen, weil die Bush-Regierung
offensichtlich keine langfristigen Pläne hat", sagte der renommierte
Wissenschaftler in einem Interview des Hamburger Nachrichtenmagazins
"Der Spiegel" und warf der Bush-Administration vor: "So wie sie
agiert, wirft sie brennende Streichhölzer auf die gesamte Region
zwischen dem Nil und der chinesischen Grenze - wo eine Menge
Sprengstoff liegt." Den USA gehe es nicht primär um die Sicherung der
Rohstoffe, sondern sie wollen nach Ansicht Hobsbawms "die
Weltherrschaft. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben sie dieses Ziel
verfolgt.""Achse des Bösen" sei "lächerlich"
Die offizielle Darstellung Washingtons von der "Achse des Bösen"
mit den Ländern Nordkorea, Irak und Iran als Bedrohung der
Vereinigten Staaten sei "lächerlich". Niemand in Washington mache
sich ernsthaft hierüber Sorgen, meinte Hobsbawm. Auch der Islam sei
keine Gefahr für Amerika, "weil er ein Phänomen der Dritten Welt ist
und die USA jedes Land in der Dritten Welt mit ihren Bomben zerstören
können." Das wirkliche Problem der US-Außenpolitik sei Israel. Auch
hier zeige sich der Primat der Innenpolitik in Gestalt der mächtigen
Israel-Lobby in den USA. Aber sie stehe gegen das nationale Interesse
der USA, sich aus energiepolitischen Erwägungen mit den arabischen
Staaten gut zu stellen. "Nun wollen die USA den Irak angreifen, und
Israel ist dabei der einzige Verbündete", meinte Hobsbawm.
NATO habe "hoffentlich ausgedient"
Nach seiner Ansicht gibt es für die Europäer "keinen vernünftigen
Grund, sich bei einem Krieg gegen den Irak auf Seiten der Amerikaner
zu engagieren. Es gebe keine große Gefahr, die mit dem Sturz Saddams
überwunden würde. "Aber wenn er gestürzt würde, könnte die gesamte
Region in Chaos und Krieg versinken." Auf die Frage, ob dadurch nicht
die transatlantische Freundschaft in die Brüche gehen könne, meinte
der Historiker, die Idee einer familiären Beziehung Europas mit den
USA sei ein Überbleibsel des Kalten Krieges, "und den Kalten Krieg
gibt es nicht mehr". Die NATO habe hoffentlich ausgedient. "Sie hat
ohnehin keine Funktion mehr seit dem Ende des Kalten Krieges." Der
Krieg in Afghanistan habe ebenfalls gezeigt, dass sie nutzlos ist.
"Nicht einmal die Amerikaner brauchen die NATO mehr."(APA/dpa)