bild: der standard
"Warum glänzen diese Autos so stark? Die sind viel zu sauber!", schimpfte Claude Chirac, als der Präsidententross einmal in eine arme Gegend Frankreichs fuhr. Also stiegen die Pariser Berater wieder aus dem Renault Espace aus und wechselten in eine weniger auffällige Limousine. Die Episode erzählt Chiracs Exchauffeur Jean-Claude Laumond in seinem neusten Buch über die Präsidentenfamilie. Er habe sich "für sie geschämt". Sie, das ist die Frau, die für das Image ihres Vaters sorgt. Sie ist es, die den alten Präsidenten und neuen Präsidentschaftskandidaten korrigiert, kritisiert (als Einzige in der Familie), pusht und berät. Bloß in eigener Angelegenheit scheut sie das Rampenlicht. Vor Jahresfrist hatte die 39-Jährige in aller Diskretion im Justizpalast ausgesagt - als die Medien noch mutmaßten, ob es die Richter wohl wagen würden, Chirac in dessen "Reisegeldaffäre" vorzuladen. So groß war die Gefahr aber auch wieder nicht: Wenn Chirac senior nicht angeklagt werden darf, wie es die hohen Verfassungsrichter bestimmten, dann natürlich auch die Tochter nicht. Ihren Job hat Claude auch ziemlich sicher. Der Vater sei offenbar in seine Tochter vernarrt. Claudes Schwester Laurence, die schon Selbstmordversuche hinter sich hat und abgeschieden lebt, soll mehr Distanz zum Politikervater pflegen. Anders Claude. Wie ein perfektes Tandem eilen Vater und Tochter durch die Welt - er beherzt händeschüttelnd, sie im Schatten mit dem Handy am Ohr. In dem intuitiv funktionierenden Familienunternehmen herrscht, so Libération, "totale Komplizenschaft". Vorbei die Zeiten, als die "kleine" Claude für Papas Berater den Kaffee holte, als die berufliche Versagerin weder intellektuell noch auf dem Pariser Parkett versiert war, als sie das renommierte Pariser Studieninstitut "Sciences Politiques" verpatzte und nur eine Hilfsstelle in einer Werbeagentur erhielt. Heute ducken sich die Berater des Präsidenten vor ihr, und den Elysée-Journalisten zeigt heute sie die kalte Schulter, wenn ihr einmal ein Artikel nicht passt. Mutter und Tochter ergänzen einander zwar ausgezeichnet, sollen sich aber weniger gut verstehen. Bernadette Chirac verkörpert die altmodische Seite des Chirac-Clans, Claude deckt den progressiven Flügel ab. Im Elysée führte sie selbst neue Sitten ein, als sie fern jeder Publicity ein uneheliches Kind - eines französischen Judo-Olympiasiegers - auf die Welt brachte. Der Großvater war angeblich begeistert, die Oma weniger. Claude ist letztlich schuld an Chiracs Wahlerfolg von 1995: Ihr Papa wurde vor allem Präsident, weil er sein altliberales Credo durch eine progressive, ja linke Wahlkampfthese vom "sozialen Bruch" in Frankreich ersetzte - ein Schachzug, der Claude den Ruf der "Präsidentenmacherin" eintrug. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 16.3.2002)