Wien - Angehörs zweier Konzertabende wie dieser kann man schon ins Grübeln kommen - über die Wesensverwandtheit der so gern als zeitlos bezeichneten Tradition und die Zeitgebundenheit, die kurze Halbwertszeit innovativer Trends. Hier das "klassische" Konzertsaal-Setting dreier Jazzlegenden, die sich im Bewusstsein ihres historischen Status selbst als Programm genügen.Dort das von einem DJ und Produzenten choreografierte Clubbing-Ambiente, in dessen Rahmen jene Jazzgeschichte, die in ersterem Fall live die Bühne bevölkert, quasi kompositorisch remixt und dancefloortauglich aufbereitet an das junge Publikum gebracht wird. Beides, sowohl das Trio Kenny Barron/Ron Carter/ Billy Cobham, das das Konzerthaus beschallte, wie auch die Acid-Jazzer von US3, in der Szene Wien zu Gast, rochen bei hohem Niveau über weite Strecken ähnlich stark nach Nostalgie. Zehn Jahre nach dem Cantaloop-Hit und 3,3 Millionen verkauften Exemplaren des Debüts Hand on the Torch programmiert Geoff Wilkinson, mittlerweile alleiniger US3-Chef, noch immer in alter Manier seine ausgefuchsten Rhythmus-Loops, um darin funkige Bass-Lines und souljazzige Bläsersätze à la Cannonball Adderley einzulegen. Auch ohne die mit dem jüngsten Album An Ordinary Day in an Unusual Place, auf dem Wilkinson mittels sozial engagierter Texte um neue alte "Street Credibility" kämpft, abgestreifte Blue Note-Zwangsjacke ist das Konzept dasselbe geblieben. Obwohl das 80-minütige Set wie in einem Guss über die Rampe kam und die treibenden Grooves ein mit kernigen Improvisationen und den formidablen Soul- bzw. Rap-Vocals von Alison Crockett bzw. Michelob klug austariertes Konzertvergnügen bescherten, blieb eine gewisse Altbackenheit unüberhörbar. Für die Electronic-Jazzer vom Schlage Nils Petter Molvaers ist US3 nur mehr eine wegbereitende historische Institution. Im Falle der Herren Kenny Barron (58), Ron Carter (64) sowie Billy Cobham (57) wusste man um die Gesetztheit ihres Musizierens. Während Carter, der anno 1964 an der Einspielung von Hancocks Cantaloupe Island-Original mitwirkte, und Cobham heute noch vom einst bei Miles Davis bzw. John McLaughlin erspielten Status zehren, hat Kenny Barron, der langjährige Begleitprofi von Dizzy Gillespie bis Ella Fitzgerald, der erst Anfang der 90er zur Solo-Karriere ansetzte, seine besten Jahre vermutlich noch vor sich. Während seine Kollegen sich mit Ambitionslosigkeit ihres Jobs entledigten, war Barron die Lust am sorgfältigen Formulieren seiner Gedanken anzumerken; als er motivisch ausgefuchste Linien, kraftvolle Bassgänge oder flirrende Klangschichten daherzauberte, atmete sein Spiel jene spannende Grundhaltung des Suchenden, Forschenden, die man auch bei Geoff Wilkinson heute vermisst. Auf die Jugend im Kopf kommt es an. (DER STANDARD, Print, Sa./So., 16.03.2002)