ORF
Neuer Ö3-Chef Spatt: "Enges Korsett" durch ORF-Gesetz
Er trete an, die "Erneuerung des Programms dynamisch fortzusetzen"
"Von der Sohle bis zur Haarwurzel
öffentlich-rechtlich" ist für Georg Spatt, den neuen Ö3-Chef, das
Programm des ORF-Hitradios. Das ORF-Gesetz zwänge Ö3 aber im
Vergleich zu den privaten Mitbewerbern etwa im Bereich der
Cross-Promotion in ein "sehr enges Korsett", meint er. Er trete an, die "Erneuerung des Programms dynamisch fortzusetzen". "Ich freue mich über jeden Hörer mehr, aber es sind
nicht die Reichweiten, die für uns beim Programm Machen im
Vordergrund stehen."Markterfolg halten, aber kein massives Rittern um Hörerzahlen
Mit einer Tagesreichweite von 41 Prozent, 2,9 Millionen Hörern und
einem Marktanteil von 38 Prozent (Zielgruppe zehn Jahre und älter)
liegt Ö3 laut Radiotest für das zweite Halbjahr 2001 mehr als
komfortabel in der Gunst des Publikums. "Es gehört selbstverständlich
zum Ziel meiner Tätigkeit, den Markterfolg zu halten", sagt dazu
Spatt. "Aber es geht nicht darum, Reichweiten und Marktanteile zu
rittern und da das Letzte herauszuholen."
"Einiges an Neuerungen"
Am "wohlbestallten Haus", das der neue Ö3-Chef von seinem
Vorgänger Bogdan Roscic übernimmt, hat Spatt in den vergangenen
Jahren als stellvertretender Programmchef selbst mitgewirkt.
Dementsprechend werde es zwar "einiges an Neuerungen geben", die aber
behutsam eingeführt werden sollen. "Ich halte nichts davon, in der
Phase, in der Ö3 markttechnisch gerade ist, über das Ansteuern von
neuen Häfen zu philosophieren, wenn alles dafür spricht, dass das
Schiff gut auf Kurs ist. Das Schiff auf Kurs zu halten, heißt aber,
sich ständig zu erneuern." Sein Verhältnis zu Ö3 ist übrigens "keine
Liebe auf den ersten Blick": Erst beim dritten Anlauf, im Jahr 1996,
hielt es Spatt beim Hitradio.
Interventionen kommen "nicht besonders oft vor"
Für "Interventionen, Anfragen oder Beschwerden" gebe es bei Ö3 ein
"klar geregeltes Prozedere", betont Spatt. Zuständig sei der
jeweilige Ressortleiter, "der schaut sich das an und beantwortet
das". Die Häufigkeit von Interventionen hänge "von der Themenlage"
ab, "es kommt nicht besonders oft vor". Unmutsäußerungen von Seiten
der Politik könnten durchaus auch für die Qualität der
Informationssendungen auf Ö3 sprechen, meint er.
"Persönlich begeistert" ist Spatt vom "gesetzlichen Auftrag zur
Öffentlich-rechtlichkeit". Immer wieder wird ja Ö3 als
"kommerzialisiertes" und "unöffentlich-rechtliches" ORF-Radio
kritisiert. Zu Unrecht, meint Spatt. "Wir sind dem Hörer
verpflichtet, nicht einem Aktionär oder Eigentümer. Ich halte das für
die Kernaussage, was öffentlich-rechtlich bedeutet."
"Nicht wirklich faire Bestimmungen" im ORF-Gesetz
Ö3 stelle sich aber natürlich dem kommerziellen Wettbewerb. Die
Herausforderung sei, "sich ganz klar im marktorientierten Auftritt
als öffentlich-rechtlich zu präsentieren. Aber ich mache diesen
wertenden Unterschied nicht, dass öffentlich-rechtlich 'gut' ist und
kommerziell 'schlecht'". Die Konkurrenz am Privatradiomarkt beobachte
er "sehr interessiert, aber gelassen", sagt Spatt. "Ich kann mir
vorstellen, dass sich da in den nächsten eineinhalb Jahren wieder
einiges verändern wird, aber wir werden deswegen nicht unsere
Programmüberlegungen zu stark danach orientieren."
Nicht wirklich fair sind für ihn jene Bestimmungen im ORF-Gesetz,
die Ö3 gegenüber den Mitbewerbern in eine ungünstigere Position
bringe. Dazu gehören laut Spatt etwa das Verbot der so genannten
Cross Promotion, also die Image-Werbung von Ö3 in den
ORF-Fernsehprogrammen. "Warum die Marke Ö3 nicht mehr als Marke
beworben werden darf im eigenen Medium, ist nicht nachvollziehbar,
wenn man sich das Umfeld anschaut." Insgesamt seien "die
Rahmenbedingungen nicht angenehmer oder besser geworden, aber
Rahmenbedingungen kann man sich halt nicht immer aussuchen." Dennoch
sei er optimistisch, dass sich "Ideen finden, die uns das Leben nicht
nur versauern".
Musikindustrie mit "Wenig Mut und wenig Geld"
Mit der regelmäßigen Kritik, dass auf Ö3 zu wenig österreichische
Musik zu hören sei, kann Spatt nichts anfangen. "Klassischer
Austropop ist eine Sparte aus einer Zeit, aus der wir insgesamt sehr
wenig spielen. Aber österreichische Musik spielen wir
selbstverständlich und sehr intensiv." In den vergangenen Jahren habe
die Musikindustrie mitunter "wenig Mut und wenig Geld" in den kleinen
heimischen Markt investiert. Um Kooperationsprojekte mit Initiativen
und Labels sei Ö3 aber immer bemüht. (APA)