Barcelona - Mit einem Kompromiss zur Öffnung der Energiemärkte ist der zweitägige EU-Gipfel am Samstag in Barcelona zu Ende gegangen. Frankreich stimmte nach zähem Ringen einer gleichzeitigen Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes für gewerbliche Kunden ab 2004 zu. Dagegen wurde eine Entscheidung über ein Datum für die freie Wahl der Energielieferanten für die privaten Haushalte aufgeschoben. Österreich konnte laut Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) einen Vorstoß Italiens zum Transitverkehr abwehren. Am Abend gab es in Barcelona gewaltsame Ausschreitungen bei Demonstrationen von Globalisierungsgegnern. Frankreich hatte einen Beschluss der EU zur Liberalisierung der Energiemärkte blockiert, weil es eine Verteuerung der Preise und Entlassungen bei dem Staatskonzern Electricite de France befürchtete. Vor dem nächsten Frühjahrsgipfel soll nun eine Entscheidung über das Datum für die vollständige Liberalisierung fallen. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac und Premier Lionel Jospin zeigten sich zufrieden mit dem Ergebnis. "Wir haben eine schrittweise und kontrollierte Öffnung der Märkte für die Konkurrenz erreicht," betonte Jospin. Dass die freie Wahl der Energielieferanten zu einer Verbilligung der Strom- und Gaspreise für die französischen Konsumenten führen könne, zog Jospin in Zweifel. Aznar: Kompromiss ist "grundlegender Schritt" EU-Ratsvorsitzender Jose Maria Aznar würdigte den Kompromiss als "grundlegenden Schritt". Damit seien ab 2004 60, wenn nicht sogar 70 Prozent des Gasmarktes liberalisiert. Der Barcelona-Gipfel zu Wirtschaftsfragen habe gezeigt, "dass der Prozess ökonomischer Reformen unumkehrbar ist". Die EU-Staaten hätten ihre Verpflichtung zum Stabilitätspakt und einer Senkung der Budgetdefizite betont und sich zu einer rascheren Umsetzung der Richtlinien im Bereich des Binnenmarktes verpflichtet. Außerdem sei die Umsetzung des europäischen Satellitennavigationssytems Galileo "deblockiert" worden. Beschlossen wurde auch die volle Integration der Wertpapier- und Risikokapitalmärkte bis 2003 und der Finanzdienstleistungsmärkte bis 2005. Um das Ziel der Schaffung von 20 Millionen Arbeitsplätzen in diesem Jahrzehnt zu erreichen, sei die Entfernung von Hindernissen bei der Arbeitssuche notwendig, betonte Aznar, ebenso wie die Schaffung von mehr Kinderbetreuungseinrichtungen. Außerdem solle angesichts der Überalterung der europäischen Bevölkerung das durchschnittliche Pensionsantrittsalter von derzeit 58 Jahren bis 2010 um fünf Jahre angehoben werden. Weiters habe man sich auf Maßnahmen zur Modernisierung des Bildungssystems geeinigt. Schröder: Richtung des Energiekompromisses stimmt Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte zum Energiekompromiss, die "Richtung stimme". Schröder betonte weiters, dass die EU in Zukunft mehr Rücksicht auf die industriell geprägte Wirtschaftsstruktur Deutschlands nehmen solle. Österreich konnte nach den Worten von Schüssel einen "massiven Vorstoß" Italiens für einen völlig freien LKW-Transitverkehr über die Alpen und die Pyrenäen abwehren. Premier Silvio Berlusconi habe eine entsprechende Passage in der Gipfel-Schlusserklärung unterbringen wollen, aber "der Widerstand hat gehalten". Die strittige Passage, die "angesichts der Probleme durch Verkehrsbeschränkungen für LKWs auf bestimmten transeuropäischen Strecken" Maßnahmen zur Sicherstellung des freien Verkehrs im vollen Umfang gefordert hatte, wurde im endgültigen Text gestrichen. Der Kanzler berichtete auch von einem österreichisch-luxemburgischen Vorstoß zur Festlegung von sozialen Mindeststandards im Bereich der Frächter. Straßenschlachten Zum Abschluss einer zunächst friedlich verlaufenen Kundgebung von 300.000 Globalisierungsgegnern kam es zu Straßenschlachten zwischen Randalierern und der Polizei. Einige Demonstranten setzten auf der Straße Gegenstände in Brand, einer wollte einen Molotow-Cocktail gegen ein spanisches Regierungsgebäude werfen. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Dabei wurden nach Rundfunkberichten mindestens zehn Menschen verletzt und Dutzende Gewalttäter festgenommen. Insgesamt war wegen des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs war in Barcelona ein Aufgebot von 8.500 Polizisten zusammengezogen worden. (APA)