Wien
- Wer ab dem 1. Juli 2002
in Österreich ein Dienstverhältnis eingeht, hat keine
Wahl: Für ihn gilt das Modell
"Abfertigung neu". Der
Dienstgeber zahlt, wie berichtet, 1,53 Prozent der Bruttolohnsumme in eine der neuen
Mitarbeitervorsorgekassen
ein. Ab dem ersten Arbeitstag
besteht also ein Abfertigungsanspruch, ab insgesamt drei
Dienstjahren wird ausgezahlt,
wenn der Dienstgeber kündigt. Bei Selbstkündigung
wird der Anspruch in einem
"Rucksack" zum nächsten
Dienstgeber mitgenommen.
Wählen können prinzipiell
allerdings alle, die über den 1. Juli bereits ein bestehendes
Dienstverhältnis haben. Für sie stellt sich die Frage, ob das
neue System lukrativer ist
oder das alte.
Abfertigungsanspruch bei Selbstkündigung
Größter Vorteil des neuen
Modells ist der Abfertigungsanspruch bei Selbstkündigung. Wer also in absehbarer
Zeit einen Wechsel des Arbeitgebers plant, für den ist
ein Wechsel sinnvoll. Mit dem
alten System wären alle Ansprüche verloren. Um in die
Abfertigung neu wechseln zu
können, muss allerdings eine
Einigung mit dem Arbeitgeber
erzielt werden. Dieser muss
die bisherigen Ansprüche
ganz oder teilweise in die neuen Kassen einbringen. Wie
viel das ist, ist Verhandlungssache. "Ahnt" der Dienstgeber
etwa, dass sich sein Mitarbeiter verabschieden will, wird
seine Bereitschaft, in die neue
Kasse einzuzahlen, gering sein. Denn dann ist das Geld
endgültig Eigentum des
Dienstnehmers und auch bei
dessen Selbstkündigung weg.
Weiterer Vorteil der Abfertigung neu ist die völlige Steuerfreiheit, wenn das Geld in
eine Rentenversicherung eingebracht wird. Neben der Abfertigungssteuer von sechs
Prozent fällt auch die Versicherungssteuer von vier Prozent sowie die Kapitalertragssteuer weg. Das Finanzministerium hat errechnet, dass dadurch eine um bis zu 20 Prozent höhere Zusatzpension erspart werden kann: Wer etwa
einen Abfertigungsbetrag von
28.000 Euro mit einer Nettoverzinsung von fünf Prozent
in eine "normale" Zusatzpension anlegt, bekommt in den
nächsten 20 Jahren 38.000 Euro ausbezahlt. Wer die steuerfreie Abfertigungsvariante
wählt, bekommt 45.000 Euro
heraus.
Durchschnitt des Lebenseinkommens maßgeblich
Diesen Vorteilen stehen
aber für bestehende Dienstverträge auch große Nachteile
gegenüber. Besonders für Besserverdienende mit einer dynamischen Einkommensentwicklung ist das neue System
deutlich schlechter: Bei der alten Regelung zählt das Letztgehalt für die Höhe der Abfertigung, im neuen Modell ist
der Durchschnitt des Lebenseinkommens maßgeblich. Ein
Akademiker mit einem Anfangsjahresgehalt von 25.000
Euro und einer durchschnitt 5. Spalte
lich siebenprozentigen Lohnsteigerung kommt nach 35
Dienstjahren im neuen System auf eine Abfertigung von
129.039 Euro. Das alte System
hätte ihm hingegen mehr
als das Doppelte, nämlich
266.915 Euro gebracht. Auch
das Argument, dass bei einer
einzigen Selbstkündigung im
Arbeitsleben ein großer Teil
der Abfertigung weg gewesen
wäre, stimmt oft nicht: Viele
Arbeitgeber "akzeptieren"
Vordienstzeiten in den Verträgen, übernehmen also die
Ansprüche. Auch bei niedrigeren Lohnentwicklungen
steigt das derzeitige System
deutlich besser aus, sodass
auch die Steuervorteile der
Abfertigung neu das nicht
wettmachen können. Ein
Wechsel ist also zumeist nur
bei Kündigungsplänen eine
gute Option. (Michael Moravec, Der Standard, Printausgabe, 14.03.2002)