In Bangladesch werden immer mehr Frauen Opfer von Säureattentaten, die Motive der Täter reichen von Eifersucht bis zu Enttäuschung über zu wenig Mitgift. Jetzt will die Regierung mit neuen Gesetzen diese brutale Verstümmelung von Frauen stoppen. Amena (21) ist eine gläubige Muslimin. Dass sie heute ihr Gesicht hinter einem Schleier versteckt, hat allerdings nichts mit ihrer Religion zu tun, sie verbirgt ein von Säure zerfressenes Gesicht. Amena ist eines von 338 Säureattentatsopfern, die von der "Acid Survivors' Association" (ASF), einer 1999 gegründeten Hilfsorganisation, allein im vorigen Jahr registriert wurden. Was an Amenas Fall besonders schockiert: Der Täter war ihr eigener Ehemann. "Unerlaubter" Besuch Amenas Eheglück hatte nur 20 Tage gedauert. Dann besuchte sie, ohne ihren Mann um Erlaubnis zu bitten, ihre Tante. Nach ihrer Rückkehr wurde sie von ihrem wutentbrannten Schwager zusammengeschlagen. Amena floh in ihr Elternhaus, ihr Gatte versuchte mehrmals erfolglos, sie zur Rückkehr zu bewegen. Eines Tages erschien er im Haus seiner Schwiegereltern und schleuderte Amena Säure ins Gesicht. Amenas eine Gesichtshälfte ist völlig zerfressen, auf einem Auge ist die Frau seither blind. Für Amena wie für alle diese Opfer sind die psychischen Wunden noch schlimmer als die physischen. Die Verunstaltung führt meist zu schweren Depressionen und nicht selten zum Selbstmord. Säureattentate sind vor allem in muslimischen Gesellschaften Südasiens weit verbreitet. Aber, wie bei einem Seminar über Frauenfragen voriges Jahr in Kathmandu festgestellt wurde, nirgends so sehr wie in Bangladesch. "Hier zeichnet sich ein soziales Desaster ab, das mit allergrößter Dringlichkeit angegangen werden muss", sagte damals eine Vertreterin einer Frauenorganisation aus Bangladesch. Enorme Steigerung Die 338 voriges Jahr gemeldeten Säureattentate bedeuten eine Zunahme von 50 Prozent gegenüber dem Jahr davor. Auch die Zahl der Attentate auf Männer und Kinder sei im Steigen begriffen, meldete ASF. Aber noch immer sind 80 Prozent der Säureattentatsopfer Frauen. Die im vergangenen Oktober an die Macht gekommene Premierministerin Khaleda Zia hatte schon im Wahlkampf gesagt, "solche Attacken werfen ein schlechtes Licht auf Bangladesch", und versprach bessere Gesetze. Die Vertreterinnen der Frauenorganisationen bleiben skeptisch, denn die Premierministerin und Chefin der Bangladescher Nationalpartei ist in der Regierung auf die Unterstützung ihrer Koalitionspartner angewiesen - eher traditionelle (wenn nicht gar extreme) Islamisten. Kapitalverbrechen Immerhin: Premierministerin Zia brachte vor wenigen Wochen ein Gesetz ein, das Säureattentate als Kapitalverbrechen bezeichnet und die Einsetzung von separaten Gerichten vorsieht, um die Verfahren zu beschleunigen. Die Frauenorganisationen haben Bedenken, das Gesetz könnte nicht rigoros genug angewendet werden. Es war nämlich bereits unter der alten Gesetzgebung möglich, Säureattentäter zu bestrafen. Zwei Täter wurden in den vergangenen Jahren mit der Höchststrafe, mit dem Tod, bestraft. In vielen Fällen kommt es erst jedoch gar nicht zu einer Anklage. Dies, weil sich die Täter durch Flucht einer Bestrafung entziehen. Häufig geschieht es auch, dass die Opfer ihre Klage zurückziehen, weil sie von der Familie des Täters finanziell entschädigt oder schlicht eingeschüchtert werden. DER STANDARDD, Print-Ausgabe vom 13.3.2002