Zeit
Kritik an Schweizer Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs
"Arbeitskreis Gelebte Geschichte" stellt Buch "Erpresste Schweiz" vor
Bern - Der Schweizer "Arbeitskreis Gelebte Gesichte"
(AGG) kritisiert das Verhalten von Bundesrat (Regierung), Medien und
der sogenannten Bergier-Kommission bei der Aufarbeitung der Schweizer
Weltkriegs-Geschichte. Er fordert eine Korrektur insbesondere der
Flüchtlings- und Raubgold-Berichte. Knapp zwei Wochen vor der
Veröffentlichung des Schlussberichtes der Bergier-Kommission legte
die AGG am Dienstag in Bern ihre Publikation "Erpresste Schweiz" vor,
die dem verstorbenen Politiker und Ex-Minister Jean-Pascal Delamuraz
gewidmet ist. In dieser Gemeinschaftsarbeit setzen sich 21 Zeitzeugen aus
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Diplomatie und Armee kritisch mit
der Geschichtsschreibung der Bergier-Kommission zur Untersuchung der
Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, aber auch mit dem Verhalten
des Bundesrates gegenüber dem "Publizitätskrieg" aus den USA
auseinander. Im wesentlichen werden die bereits bekannten
Kritikpunkte der AGG sowie von Politikern und Historikern
zusammengefasst. Der Jüdische Weltkongress habe mit Unterstützung der
Clinton-Regierung die Schweiz mit Verleumdungen, Sammelklagen und
Boykottdrohungen erpresst und gedemütigt. Der verunsicherte Bundesrat
habe gegenüber diesen Attacken viel zu spät, zu unentschlossen, zu
unterwürfig gehandelt.
"Der gutschweizerische Hang zur Selbstzerfleischung und
Selbstverhöhnung in den Kreisen der Medienleute, linker Politiker und
Intellektueller lieferte zudem dem Gegner in den USA immer wieder
Munition für neue Anschuldigungen, womit die Krise noch verstärkt
wurde", kritisiert das Buch. Die Bergier-Kommission habe das Bild
einer geldgierigen, herzlosen, nazifreundlichen und antisemitischen
Schweiz gezeichnet. Sie habe die Zeitzeugen zu wenig berücksichtigt
und keine Gesamtschau der Gefährdunglage der Schweiz im Zweiten
Weltkrieg geliefert. Die AGG-Schrift enthält zahlreiche Zitate aus
Büchern und Artikeln, die die Schweiz von den Vorwürfen entlasten -
vor allem im Bereich Flüchtlingspolitik.
In den Arbeiten der Bergier-Kommission erkenne man "die Ideologie
der Alt-68er ebenso wie die unerbittliche Strenge des Moralisten, die
Allüre des Großinquisitors, des Rassismus oder die Arroganz des
heimatlosen Intellektuellen". Ihren ursprünglichen Auftrag von
Bundesrat und Parlament habe die Kommission nicht erfüllt. "Es darf
nicht sein, dass sowohl bei der jüngeren Generation in der Schweiz
als auch weltweit aufgrund der einseitigen Bergierberichte und der
selbstzerstörerischen Tendenzen der Massenmediden der Eindruck einer
geldgierigen und selbstsüchtigen Schweiz zur Zeit des Zweiten
Weltkrieges zementiert wird", schreibt die AGG.
Im Schlussbericht müssten daher die "unhaltbaren Darstellungen"
der Gold- und Flüchtlingberichte korrigiert werden. Eine klare
Stellungnahme des Bundesrates und des Parlaments zu den
Bergier-Berichten sei dringend nötig. Die von der Kommission
benutzten Akten sollten für die Forschung zugänglich bleiben. (APA)