Stuttgart/Salzburg/Hamburg - Die Gletscherbahn-Katastrophe in Kaprun mit 155 Toten hätte sich auch im zweiten, unversehrt gebliebenen Zug ereignen können. Das geht aus einem Gutachten der Sachverständigenorganisation Dekra (Stuttgart) hervor, aus dem der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe zitiert. Der Leiter der Dekra-Abteilung Unfallanalyse, Klaus Hellmich, bestätigte am Sonntag den Bericht des deutschen Nachrichtenmagazins. In seinem Gutachten führt Hellmich das Unglück vor allem auf drei Konstruktionsfehler zurück. Für diese Fehler, die auch den zweiten Zug beträfen, seien die Seilbahnbehörden und die Hersteller der Standseilbahn verantwortlich: Erstens sei der Wagenkasten aus Kunststoff statt aus Metall gewesen. Dadurch habe es brennbare Materialien und toxische Gase gegeben, an denen die Opfer erstickt seien. Aus der Standseilbahn hätten die Menschen fliehen können "Zweitens konnten die Türen nicht von innen geöffnet werden, weil man von der falschen Annahme ausging, dass man sich aus Seilbahnen ohnehin nicht retten kann", sagte Hellmich der dpa. Bei Seilbahnen in der Luft sei diese Annahme richtig, denn aus 50 Metern Höhe könne man sich im Notfall nicht selbst retten. Aus der Standseilbahn im Tunnel hätten die Menschen aber durchaus fliehen können, wenn es möglich gewesen wäre, die Türen zu öffnen, sagte Hellmich. Die fehlenden Feuerlöscher nannte der Dortmunder Dekra-Experte als dritte Ursache für die Katastrophe. Die Staatsanwaltschaft in Salzburg hatte das Gutachten in Auftrag gegeben. Für das Unglück macht sie einen Heizlüfter verantwortlich, der ausgelaufenes Hydrauliköl entzündet hat. Der Ofen war nicht für den Einbau in Fahrzeuge vorgesehen. Auch im zweiten Wagen sei über einen längeren Zeitpunkt Hydrauliköl ausgelaufen und in die Waggonwand neben dem Heizlüfter eingesickert, sagte der Dekra-Experte. "Spuren und Merkmale am intakten Zug sind als Zeitbombe für einen ähnlichen Schadensablauf anzusehen", zitiert der "Spiegel" aus dem Gutachten. Der Prozess zur Schuldfrage soll in diesem Jahr in Salzburg beginnen. Einen konkreten Termin gibt es noch nicht. Angeklagt sind 16 Personen, darunter Vertreter der Kapruner Gletscherbahnen, der Hersteller-Firmen, aber auch der Seilbahn-Behörden, die den Betrieb in der unterirdischen Seilbahn genehmigt hatten. Kaminwirkung 155 Menschen waren am 11. November 2000 bei dem schwersten Seilbahnunglück in der Geschichte Österreichs ums Leben gekommen, darunter 37 Skifahrer, die aus Deutschland kamen. Der Brand in dem bergwärts fahrenden Zug hatte sich durch die Kaminwirkung in dem Tunnel in Minutenschnelle zu einem Inferno ausgeweitet, dem nur ein Dutzend Menschen entkam. In dem von der Dekra untersuchten talwärts fahrenden Wagen war der Zugführer erstickt.(APA/dpa)