Wien - Totz Zäunen und Warnschildern auf den Straßen ist der
Blutzoll bei den allfrühjährlichen Wanderungen der Frösche und Kröten
nach Ansicht des Froschexperten Bernhard Seidel (Universität Wien)
nach wie vor hoch - zu hoch, wie er im Gespräch betonte.
Die meisten heimischen Amphibien stehen auf den Roten Listen der
Artenschützer. Mit relativ einfachen baulichen Maßnahmen und
Verhaltensänderungen der Autofahrer könnte die Situation verbessert
werden.
Viele Amphibien werden erstaunlich alt, wenn man sie lässt. So
können etwa Kröten bis zu 40 Jahre auf dem Warzenbuckel haben und
immer noch lustig durch die Gegend hopsen. Doch dieses hohe Alter
erreichen die Tiere im Einzugsgebiet von Straßen kaum, meist kommen
sie bereits in jungen Jahren beim Spießrutenlauf im Frühjahr zu den
Laichgewässern im wahren Sinne des Wortes unter die Räder.
Ältere Tiere setzen mehr Nachkommen in die Welt
Es ist einfach eine Frage der Wahrscheinlichkeit: Eine 40-jährige
Kröte muss 80 Mal Glück gehabt haben - einmal im Jahr zum
Laichgewässer und wieder zurück - eine jüngere entsprechend weniger.
Das Problem ist dabei, dass im Gegensatz etwa zu vielen Säugetieren
setzen ältere - und somit größere Amphibien - deutlich mehr
Nachkommen in die Welt als junge Hüpfer. So kann sich auch ein
relativ wenig befahrener Güterweg, auf dem vergleichsweise wenig
Amphibien ums Leben kommen, negativ auf die Bestandsentwicklungen der
Amphibien auswirken.
Anstatt schützende Krötenzäune mühsam und mit hohen Kosten extra
aufzustellen, wäre es laut Seidel wesentlich sinnvoller, ohnehin
geplante Leitplanken an Straßen mit relativ wenig Aufwand so zu
adaptieren, dass sie gleich auch als Amphibienzäune funktionieren.
"Gerade an Seeufern, wo der Schutz besonders wichtig wäre, sind
derartige Leitschienen meist durchgehend angebracht", so Seidl.
Aber auch der beste Krötenzaun schützt nicht hundertprozentig.
Auch ein wenig Rücksicht der Straßenbenutzer ist gefragt, so Seidel.
So sollten Fahrten während der Amphibienwanderungen im Naturland bei
Regen und vor allem am Abend oder in der Nacht vermieden werden. Wenn
man schon unterwegs ist, dann mit geringem Tempo und der nötigen
Vorsicht.
Wanderungen zur Fortpflanzung
Auch wenn sich zahlreiche Lurche im Laufe ihres
Erwachsenen-Daseins weitgehend vom Wasser unabhängig gemacht haben,
die Kinderstuben der Amphibien sind unweigerlich ans nasse Element
gebunden. Dieser Umstand zwingt einige Arten zu alljährlichen
Wanderungen, um das Fortpflanzungsgeschäft zu erledigen. Dabei können
etwa Erdkröten Reisen rund drei Kilometer bis zu einem geeigneten
Tümpel oder Weiher unternehmen. Kreuzt die Wanderung eine Straße,
wird die Sache zum Spießrutenlauf.
Die Erdkröten unternehmen mit Abstand die weitesten Reisen und
bevorzugen als Ziel genau das Gewässer, in dem sie selbst das Licht
der Welt erblickten. Aber auch andere Lurche machen sich alljährlich
im Frühling auf den Weg zu einem stehenden oder gemächlich dahin
fließenden Gewässer. Die Wanderung des Springfrosches geht etwa über
eineinhalb Kilometer, die des Grasfrosches über einen Kilometer. Der
Laubfrosch entfernt sich normalerweise nicht mehr als 600 Meter von
seinem Heimattümpel, Molche meist nicht mehr als einen halben
Kilometer.
Bei den Erdkröten finden die Geschlechtspartner bereits während
der Wanderung zueinander. Das deutlich kleinere Männchen klettert auf
den Rücken des Weibchens und umklammert es fortan. Um nicht herunter
zu fallen - während die Dame des Herzens dem ersehnten Gewässer
entgegen hopst - haben die Männchen mancher Arten sogar eigene
Haftorgane, Hornschwielen, an den Gliedmaßen entwickelt.
Der Zeitpunkt: Je nach Temperatur
Der Zeitpunkt für die jährlichen Wanderungen ist von Art zu Art
unterschiedlich, hängt aber auch stark von den herrschenden
Temperaturen ab. Denn als Kaltblüter sind die Lurche an einigermaßen
ansprechende Außentemperaturen gebunden. Unter drei Grad geht so gut
wie gar nichts mehr, lautet die Faustregel.
Meist finden sich Grasfrösche und Erdkröten als erste im Frühling
an den Gewässern ein, bei entsprechend freundlicher spätwinterlicher
Witterung kann dies durchaus bereits Anfang März sein. Im Gebirge
beginnt das Spektakel entsprechend später. Als letzte kommen - oft
erst Mitte Juni - die Wechselkröten.
Einmal im geeigneten Gewässer angekommen, geht es bald zur Sache.
Die schwanzlosen Lurche, also Frösche, Unken und Kröten, führen die
Befruchtung der Eier im Wasser durch. Zur Eiablage streckt die
weibliche Erdkröte ihren Rücken auf typische Weise, das ist für das
Männchen das Zeichen, die frisch gelegten Eier zu befruchten. Damit
ist für die Tiere die Sache erledigt. Brutfürsorge ist für die
meisten Amphibien kein Thema, sie setzen lieber auf eine große Zahl
an Nachkommen.
Zeiten der Entwicklung
Die Entwicklung vom Ei bis zur Kaulquappe dauert, je nach den
herrschenden Temperaturen, zwischen zwei und drei Wochen. Durch die
durchsichtige Gallerte lässt sich während dieser Zeit die
Embryonalentwicklung gut beobachten. Aus dem ursprünglich runden Ei
wird schon bald ein längliches Gebilde, Kaulquappenkörper und
-schwanz werden erkennbar. Wenn die Tierchen beginnen, sich heftig zu
bewegen, dauert es nicht mehr lang bis zum Schlüpfen.
Die Hauptaufgabe der Kaulquappen ist Fressen. Der dicke, rundliche
Quappenkörper besteht zu einem guten Teil aus Darm. Dabei betätigen
sich die meisten Lurchlarven als Weidegänger, sie raspeln mit
Vorliebe den Algenaufwuchs von Steinen ab.
Das ursprünglich fischartige Aussehen der Lurchlarven ändert sich
spätestens, wenn die Beinchen sichtbar werden. Schließlich beginnt
sich der große Ruderschwanz zurückzubilden, die Kiemenbüschel
seitlich am Körper, welche die Kaulquappen mit Sauerstoff aus dem
Wasser versorgen verschwinden. Statt dessen entwickeln sich die
Lungen.
Das Wasser wird verlassen ...
Nach rund zwei Monaten ist es dann so weit: Die Lurche,
mittlerweile zwar noch klein, aber schon sehr kröten- bzw.
froschhaft, verlassen oft zu Tausenden ihr Gewässer und gehen einzeln
ihrer Wege. Erst nach einigen Jahren werden sie, geschlechtsreif
geworden, zurückkehren, um ihr Brutgeschäft zu erledigen - der Kreis
schließt sich.
Die Bestände der Amphibien sind weltweit bedroht. Eine Ursache für
die Empfindlichkeit ist ihre Lebensweise. Über ihre feuchte Haut, die
auch der Atmung dient, nehmen sie etwa Ozon oder sauren Regen
besonders rasch auf und leiden darunter. Die heimischen Amphibien
sind dabei keine Ausnahme, praktisch alle Lurch-Arten sind auf den
Roten Listen zu finden.
In Österreich gilt die Kreuzkröte als vom Aussterben bedroht.
Kleiner Teichfrosch, Laubfrosch, Wechselkröte, Knoblauchkröte,
Donau-Kammmolch und Kammmolch als "stark gefährdet". "Gefährdet" sind
Seefrosch, Teichfrosch, Grasfrosch, Springfrosch, Balkan-Moorfrosch,
Moorfrosch, Erdkröte, Gelbbauch-Unke, Rotbauch-Unke, Alpensalamander,
Feuersalamander, Teichmolch, Alpen-Kammmolch und Bergmolch.
(APA)