Wien - Wo die einen bereits sind, wollen andere immer schon hin. Und wieder andere müssen dorthin, weil sie nirgendwo sonst noch hinkönnen. Der Ort, den im heimischen Spielfilm Nogo drei Pärchen aus unterschiedlichen Motiven ansteuern, ist eine in die Jahre gekommene Tankstelle, fern jeder Stadt, irgendwo in österreichischer Einöde gelegen. Sie fungiert als eine Art Drehkreuz für drei Episoden, die synchron zueinander ablaufen, im Film jedoch hintereinander gereiht sind: ein spielerischer Umgang mit Erzählzeit, der freilich spätestens seit Pulp Fiction bekannt sein sollte. Die Tankstelle dient in Nogo aber auch dazu, bei menschlichen Beziehungen anzuhalten, in einem Moment der Veränderung oder auch Entscheidung: Im ersten Teil bekommt ihr Pächter Joe (Oliver Korittke) unverhofft Gesellschaft durch Maria (Meret Becker), die gerade von ihrem Freund abgehaut ist. Die beiden schätzen die Einsamkeit und teilen sich bald die Träume mit, die sie nachts in Löffelchenstellung aneinander geschmiegt durchleben. Dann schälen sie Etiketten von Dosen, wundern sich über deren Inhalt, und die Kamera durchmisst in Rundschwenks den Innenraum, in dem sie sich zunehmend von der Außenwelt abkanzeln. Das Regisseursduo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl, das mit Nogo sein Spielfilmdebüt gibt, war bisher für experimentelle Kurzfilme bekannt (Prost, Transcoder). Spuren dieser Vergangenheit finden sich auch noch in ihrer neuen Arbeit, wenn sie Einstellungen betont streng kadrieren, auf harte Schnitte setzen oder generell weniger eine "realistische" Darstellung suchen als generische Bruchstücke ausbreiten, die betont artifiziell inszeniert sind - ein Ansatz, den die seriellen Musikkompositionen der Sofa Surfers noch weiter verstärken. Die Unterordnung dieser fragmentarischen Episoden in ein größeres erzählerisches Konzept, in dessen Mitte zwei Zapfsäulen stehen, wird dabei jedoch zum eigentlichen Problem von Nogo: Zu konstruiert und forciert "zufällig" wirkt es, wie verbissen das zweite Pärchen (Jürgen Vogel und Jasmin Tabatabai) der Erfüllung seines Lebenstraumes - ausgerechnet einer eigenen Tankstelle - nachgeht.
Foto: Filmladen
Selbst eine (fast) tödliche Krankheit vermag sie nicht von ihrem Ziel abzubringen, was durchaus gelungen beobachtete Momente der Zweisamkeit einem "Einfall" überantwortet, der einfach nicht glaubwürdig zu spielen ist. Da ist es dann schon egal, wenn das einzig heimische Duo, Mavie Hörbiger und Michael Ostrowski als posenverliebte Gangster, Marke Bonnie und Clyde , durchs Land gurkt und dabei etliche Klischees bedient, aber ohne Ironie oder etwas Mut zur Abweichung. Nogo bleibt derart ein Fall von kunstfahlem Konzeptkino, das irgendwo zwischen Tykwer und Tarantino einen eigenen Platz beansprucht. Bevölkert von Modellen anstatt von Menschen, gesättigt von vielfach konsumierten Bildern, bewegt von einer einzigen "fixen Idee". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 2. 2002)