Panorama
Freie Fahrt für "Abfälle"
Mehr als hunderttausend LKW-Transporte mit Recycling-Waren sind von Ökopunkten befreit
Innsbruck - Mehr als hundertausend jährliche LKW-
Transporte mit Abfällen und
Recycling-Stoffen können
neuerdings Österreich queren, ohne dass dafür wie bisher Ökopunkte abgebucht
werden müssten. Das hat das
Transitforum Austria-Tirol
aufgedeckt. Ermöglicht werden die ökopunktefreien Fahrten durch eine weitläufige
Auslegung von "Müll" durch
das Finanz- und Verkehrsministerium.
Keine Ökopunkte für "Müll und Fäkalien"
Seit der Verordnung der EU-
Kommission von 1994 - einer
Ergänzung zum Transitvertrag
- werden für Transporte von
"Müll und Fäkalien", so wie
für Kunstgegenstände oder
Postsendungen, keine Ökopunkte benötigt. Bisher waren
die Zollbeamten zu einer restriktiven Auslegung angehalten: "Unter Müll war im wesentlichen Hausmüll zu verstehen", sagt der Tiroler Zoll-
Chef Peter Hechenbichler.
Erweiterte Auslegung
Seit erstem Februar liegt den Zollbeamten ein Papier
vor, das die amtliche Definition von "Abfällen" wesentlich
erweitert. Unter den 37 näheren Bestimmungen finden
sich auch zahlreiche wiederverwertbare Waren wie etwa
Papier, Glas, Holz, Textilien,
Bekleidung, Kleinmetalle oder
Öle und Fette, Arzneimittel,
Batterien, Boden und Steine.
Angesichts der Ökopunkteknappheit ist auf EU-Ebene
angeblich auf eine erweiterte
Auslegung gedrängt worden.
Die Verkehrsexperten des
Tiroler Zolls schätzen, dass
derartige Transporte an die
acht Prozent des Transitaufkommens ausmachen, rund
100.000 bis 150.000 Fahrten.
Transitforum-Chef Fritz
Gurgiser hält die "vielen Ausnahmen" für rechtswidrig, da
sie das Ziel der Ökopunkteregelung (Schad-stoffreduktion)
unterlaufen würde. Der Innsbrucker Europarechtler Wolfgang Obwexer äußert dem
Standard
gegenüber Zweifel,
ob die Ökopunkte-Befreiungen überhaupt rechtens seien.( Benedikt Sauer, DER STANDARD Print-Ausgabe 7. März 2002)