Karlsruhe - Der deutsche Gesetzgeber muss Rentner und Beamtenpensionäre vom 1. Jänner 2005 an steuerlich gleichbehandeln. Dieses Urteil verkündete am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Als grundgesetzwidrig bezeichneten die Richter das gegenwärtige Einkommensteuerrecht, das Rentner gegenüber Pensionären bevorteilt. Entgegen den Erwartungen ließ das Gericht der Politik aber freie Hand bei der Lösung des Problems. Die deutsche Regierung will die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung schrittweise steuerfrei stellen. Dies teilten Finanzminister Hans Eichel und Arbeitsminister Walter Riester (beide SPD) am Mittwoch in Berlin mit. Sie zogen damit die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Entsprechende Gesetzesänderungen sollten in der kommenden Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden. Wann die völlig Steuerfreiheit der Beiträge erreicht sein soll, ließen Eichel und Riester zunächst offen. Die beiden Minister stellten zugleich klar, dass künftig eine Gleichbehandlung bei der Besteuerung von Alterseinkünften gelten solle. In einer Erklärung wies Gerichtspräsidentin Jutta Limbach darauf hin, dass es für Ängste seitens der Rentner keinen Anlass gebe. Weder die unteren noch die mittleren Renten seien von der Entscheidung tangiert. "Auch die Politik wird durch das heutige Urteil nicht überfordert werden", sagte Limbach. Die Gerichtspräsidentin begründete ihre ungewöhnliche Zusatzerklärung mit der Beunruhigung, die es vor der Entscheidung in der Öffentlichkeit über mögliche Mehrbelastungen der Rentner gegeben habe. Laut Urteil kann die geltende Regelung der Rentenbesteuerung bis zum Ende der gesetzten Frist in Kraft bleiben. Kommt es jedoch nicht rechtzeitig einer Neuregelung, darf es ab dem 1. Jänner 2005 keine Besteuerung der Beamtenpensionen mehr geben. Wie die steuerliche Gleichstellung der gesetzlichen Renten im Vergleich zu den Pensionen geregelt werden sollte, ließ der Zweite Senat völlig offen. Das Prinzip, dass die durch Beiträge finanzierten Anteile der Rente steuerfrei bleiben, wurde jedoch ausdrücklich bestätigt. Allerdings sieht der Zweite Senat Defizite bei der Besteuerung der Ertragsanteile. Sollte diese Steuer erhöht werden, werde es für die Rentner aus Gründen des Vertrauensschutzes lange Übergangsregelungen geben. Ausgelöst wurde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch die Klage eines Pensionärs gegen die unterschiedliche Behandlung von Rentnern und Pensionären. Das zuständige Finanzgericht Münster reichte den Fall zur Behandlung an die Karlsruher Richter weiter. Die obersten Richter hatten bereits 1980 und 1992 Korrekturen bei der unterschiedlichen Besteuerung von Renten und Pensionen verlangt, da die Begünstigung von Rentnern ein nicht mehr zu rechtfertigendes Ausmaß erreicht habe. Im Jahr 2000 erhielten die rund 23 Millionen Rentner in Deutschland nach Angaben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger Zahlungen in Höhe von etwa 203 Milliarden Euro. Rund eine Million Menschen bekommen nach offiziellen Angaben Pensionen. (APA/AP/Reuters)