Oak Ridge/Wien - In einem umstrittenen Experiment haben Physiker des Oak Ridge National Laboratory, Tennessee, einen neuen Weg zur Kernfusion und damit theoretisch zur Lösung aller Energieprobleme gefunden: Sie haben in einer kalten Flüssigkeit durch Beschallung regional so hohe Temperaturen erzielt, dass Atomkerne zum Verschmelzen gebracht wurden. "Das ist hoch interessant und könnte auch wahr sein, Oak Ridge ist eine erste Adresse", urteilt Peter Hille vom Institut für Isotopenforschung und Kernphysik der Uni Wien, "aber erst einmal muss es reproduziert werden können, und das ist in Oak Ridge ja nicht gelungen."Kernfusion ist jener Vorgang, mit dem Sonnen sich selbst verbrennen, und sie ist mit Wasserstoff als der Brennstoff grundsätzlich eine unerschöpfliche Energiequelle. Aber sie braucht auch Temperaturen wie auf Sonnen und konnte bisher von Menschen nur zur Konstruktion von Wasserstoffbomben genutzt, nicht aber gezähmt werden. Kein Material hielt stand. Aufwändige Forschungen zum magnetischen Einschluss der Hitze gehen seit Ende des Zweiten Weltkriegs mühsam voran, auch in Österreich, wo Physiker in Innsbruck gerade Feinheiten des Einschlusses am Computer simuliert haben. Hitze durch Schall Umso größer war 1989 die Aufregung, als US-Forscher die erste "kalte Fusion" bei Raumtemperatur meldeten, was sich rasch als Ente erwies. "Im Unterschied zu dieser alten Geschichte halte ich den jetzigen Ansatz für seriös", erklärt Hille, "wir haben auch schon darüber nachgedacht, das zu versuchen": Wenn man Ultraschall auf bestimmte Flüssigkeiten schießt, löst er die Bildung von Bläschen aus, die rasch wachsen und unter enormen Temperaturen kollabieren. Das könnte zur Zündung einer Kernfusion reichen. "Sie wäre auch relativ leicht nachzuweisen", erklärt Hille, "dabei werden Elektronen frei." Die haben die Forscher in Oak Ridge auch gefunden, aber eine zweite Gruppe im gleichen Labor konnte das nicht reproduzieren. Beides hat das Journal Science auf seiner Homepage publiziert. "Jetzt werden es andre versuchen", hofft Hille, warnt aber vor Euphorie: "Mit ein paar Neutronen hätte man noch kein Fusionskraftwerk." "Das ist ein sehr schönes Experiment, wenn es wahr ist", ergänzt Physiker Hans-Peter Winter von der TU Wien, "aber die Anwendung wäre gleich null, die Bläschen sind winzig." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.3.2002)