Die Schweiz und ihr politisches System, sagen Kritiker, sei ein "UPO", ein "unidentifizierbares politisches Objekt". Stimmt, sagen andere, aber es fliegt. In jüngster Zeit allerdings ist das einst so strahlende Fluggerät arg ins Trudeln geraten, das "Grounding" der Swissair, "Nazi-Gold" und langsame Abfahrer werfen ein schiefes Licht auf den einstigen Musterknaben. Dann ist da noch der "schwarze Sonntag" des 6. Dezember 1992, als sich die Schweizer mit 50,3 Prozent gegen den Europäischen Wirtschaftsraum aussprachen.

Was hat das alles mit der Abstimmung über die UNO zu tun? Mehr, als man denkt. Es mag auf den ersten Blick ein glückliches Land sein, das die Volksabstimmung über den Beitritt zur UNO zur nationalen Überlebensfrage stilisiert und in dem Mitglieder der konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) aus der Kirche austreten, weil sich ein Geistlicher für den Beitritt einsetzte. Auf den zweiten Blick ist es ein Land, das sich in einer Identitätskrise befindet. Die alten einträglichen Parameter des Kalten Krieges wurden 1989 obsolet. Eine schnelle Anpassung an das veränderte Umfeld hätte Not getan. Doch diese war im Land der schweren Schuhe und des Sicherheitsdenkens nicht machbar. Mit Verspätung landet nun auch die Schweiz in der Ära nach dem Mauerfall - ob es eine Öffnung nach außen ist, bleibt abzuwarten.

Und Blocher? Der rechtskonservative SVP-Populist, Unternehmer und Multimillionär, dessen Stern 1986 aufging, als die letzte UNO-Abstimmung kolossal scheiterte, sieht am Horizont bereits die EU, eine "Schweiz ohne Grenzen" und "großen Druck auf das Bankengeheimnis" dräuen. Er wird - wir kennen es aus der hiesigen Politik - Mal für Mal die außenpolitischen Themen aufgreifen, wenn sie sich innenpolitisch ausschlachten lassen. Mit diesem Strategen von Rückzugsscharmützeln wird weiter zu rechnen sein - auch das kommt uns bekannt vor. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 5.3.2002)