Europa
Europäische Presse begrüßt Ende der Schweizer Isolation
Schweizer Pressestimmen: Und die Schweiz bewegt sich doch
Genf/Bern - Die ausländischen Zeitungen haben am Montag den
Schweizer Entscheid für den UNO-Beitritt und damit das Ende der
außenpolitischen Isolation begrüßt. Sie hielten aber auch fest, dass
die Entscheidung knapp ausfiel."Frankfurter Allgemeine":
"Der Kalte Krieg ist endgültig Vergangenheit: Auch die Schweiz
tritt den Vereinten Nationen bei. Es hat lange gedauert, bis dieser
neutrale Staat den unausweichlichen Schritt vollzog. Sein
Abseitsstehen wirkte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts zusehends
peinlicher. Obwohl es in der Staatenwelt von heute längst keine
Nischen mehr gibt und die Schweiz seit Jahren sämtliche
wirtschaftlichen Sanktionen der UNO befolgt, klammerte sich das Land
weiterhin an seinen Sonderfall-Mythos."
"Süddeutsche Zeitung":
"Die Strategie der Isolationisten um Christoph Blocher ist beinahe
aufgegangen, auch wenn die meisten ihrer Argumente unseriös waren...
Diese Entscheidung bedeutet schon allein, weil sie so knapp ausfiel,
keine außenpolitische 'Öffnung'. Dahin ist der Weg noch lang, und
unklar ist, ob ihn die Schweizer je beschreiten und ihr
'Sonderfall'-Denken ablegen werden. Mit Mühe ist lediglich eine
Blamage abgewendet worden, die das Ausland mit einigem Kopfschütteln
quittiert hätte."
"De Standaard" (Belgien):
"Nach dem 11. September erschien es vielen Schweizern immer
absurder, einen Beitritt zu den Vereinten Nationen im Namen der
Neutralität zu verweigern. Die Glaubwürdigkeit der UNO wuchs
hingegen, weil eine weltweite Zusammenarbeit nötig ist zur Bekämpfung
der Missstände, in denen der Terrorismus wurzelt oder seine Anhänger
rekrutiert.
Aber nicht nur die Welt hat sich geändert, auch das Selbstbild der
Schweizer. Der Skandal um jüdische Guthaben in den schweizerischen
Banken und das Debakel der Swissair haben viele Schweizer aus ihrer
etwas selbstgenügsamen Überzeugung geholt, dass sie, in 'splendid
isolation', ein Vorbild für tugendhaften Fleiß und verdienten
Wohlstand waren."
"Corriere della Sera" (Italien):
"Die Schweiz ist zweigeteilt, in die Mehrheit der
deutschsprachigen Kantone im Osten und die französischsprachigen im
Westen. Die Eidgenossenschaft tritt der UNO bei. Aber man musste auf
die Auswertung der Stimmen des Kantons Zürich warten, um die
mathematische Gewissheit zu haben, dass die Schweiz das 190.
UNO-Mitglied wird und damit ihre seltsame Position als
Beobachterstaat, die sie mit dem Vatikan teilte, aufzugeben. Auf
politischer Ebene hat der Entscheid keine großen Auswirkungen. Aber
das Image der Schweiz hat dadurch einen Gewinn erhalten."
"Le Figaro" (Frankreich):
"Es ist ein kleines, schüchternes Ja. Das Abstimmungsresultat
zeigte einen Graben zwischen der westlichen Hälfte des Landes, die
eine UNO-Mitgliedschaft will, und der gegnerischen Hälfte im Osten
mit der bemerkenswerten Ausnahme des bevölkerungsreichsten Kantons
Zürich, der Ja stimmte ... Aber es ist noch zu früh, um daraus einen
EU-Beitritt abzuleiten."
"Financial Times" (Großbritannien):
"Der Entscheid der Schweiz, den Vereinten Nationen beizutreten ist
ein Wendepunkt in ihren Beziehungen mit der übrigen Welt. Es
kennzeichnet das Ende des so genannten 'Sonderfalls' Schweiz... Seit
dem Zusammenbruch des Kommunismus braucht die Welt keine politisch
isolierte Schweiz mehr, die auf diplomatischer Ebene vermittelt. Sie
braucht auch keine Off-Shore-Finanzzentren, wo reiche Diktatoren ihre
Beute waschen können, wie sie das bis vor wenigen Jahren
machten...Mit ihrer großen humanitären Tradition wird die Schweiz in
den Vereinten Nationen willkommen sein."
Schweizer Kommentatoren begrüßen die Öffnung des Landes
Die Schweiz ist in Bewegung und setzt ein Zeichen
zur Öffnung des Landes: So beurteilen die Kommentatoren der Schweizer
Zeitungen das Ja zum UNO-Beitritt. In der Westschweiz wird das
Resultat allerdings enthusiastischer gefeiert als in der
Deutschschweiz.
Tages-Anzeiger:
Mit dem Ja habe das Stimmvolk "eine mythisch überhöhte
Neutralitäts-Posse" aufgegeben und den Weg freigemacht "für eine
moderne, unverkrampfte, neutrale Außenpolitik", heißt es im Kommentar
des "Tages-Anzeigers". Der Kalte Krieg sei damit auch in der Schweiz
zu Ende.
Neue Zürcher Zeitung (NZZ):
Für die "NZZ" ist der Entscheid "kein Ja der Begeisterung (...),
sondern ein solches der Vernunft". "Für die Mehrheit der Schweizer
schien die Zeit für den Beitritt reif zu sein." Angesprochen wird
aber auch, dass am Wochenende nicht der "Röstigraben" aufgefallen
ist, sondern die Stadt-/Land-Spannung.(APA/sda)