In Peking wird eine künftige Beteiligung chinesischer Truppen an multinationalen Friedensmissionen mit UNO-Mandat nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen. Vizeaußenminister Wang Yi bestätigte in einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Fenghuang (Phönix) erstmals, dass es entsprechende Überlegungen in der chinesischen Führung gibt. "China hat noch an keinem Einsatz multinationaler Truppen teilgenommen. Wenn die UNO aber künftig solche Friedensmissionen entsendet, denke ich, dass Chinas Regierung über eine Beteiligung positiv nachdenken wird." Mit diesen Worten wird Wang in der neuesten Ausgabe des vom Hongkonger Kabelfernsehen "Phönix" für China herausgegebenen politischen Magazins zitiert.

Wang Yi, der im Februar die neue Pekinger Botschaft in Kabul eröffnet hatte, verwies auch auf das jüngste Stimmverhalten im UN-Sicherheitsrat zu Afghanistan. Als eines der fünf ständigen Ratsmitglieder habe sich Peking nicht wie früher enthalten, sondern einer multinationalen Truppe zugestimmt. Zwei Zusicherungen hätten den Ausschlag gegeben: Die afghanische Seite sei einverstanden gewesen, und für die Truppe gebe es ein UN-Mandat.

Chinas Außenpolitik nimmt seit dem 11. September immer rascher von einem ihrer überholten Prinzipien Abschied, sich nicht in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. Mit anderen Worten: Peking will künftig weltweit mitreden und erklärt sich bereit, in Zukunft seinen Teil an internationaler Verantwortung unter dem Dach der UNO zu übernehmen. Chinas Staatspräsident Jiang Zemin hat diese neue Ausrichtung der chinesischen Außenpolitik bei seinem jüngsten Gipfeltreffen mit US-Präsident George W. Bush verdeutlicht. Er forderte für ein konstruktives chinesisch-amerikanisches Verhältnis, dass beide Seiten "ihre Beziehungen im weltweiten Rahmen sehen und zusammenarbeiten sollten, um den Weltfrieden gemeinsam zu verteidigen."

Peking hat sich bei UN-Missionen bisher nur mit unverfänglicher Hilfe beteiligt. Zu rund einem Dutzend Einsätzen wurden zivile Helfer (Ärzte, Bauarbeiter) nach Afrika und Kambodscha geschickt. Seit Jänner hat China ferner sechs Gruppen mit insgesamt 124 Polizisten zu UN-Polizeieinsätzen nach Osttimor und Bosnien entsandt.

Ein hoher Pekinger Militär, der namentlich nicht genannt werden wollte, sieht die Teilnahme chinesischer Soldaten an UN-Friedenseinsätzen "garantiert kommen", hält sie aber frühestens mittelfristig für möglich. Es fehle dafür noch an jeglicher Vorbereitung und sprachlicher Vorbildung in der Armee. Im Außenministerium wurde bestätigt, dass mehr internationales Engagement in Chinas Interesse liegt. Eine Beteiligung an multinationalen Truppen stehe aber "noch nicht auf der aktuellen Tagesordnung." (DER STANDARD, Print, 04.03.2002)