Nach Bernhards ein wenig läppischer Festspielkünstlerdemontage Die Berühmten hat sich Intendant Lutz Hochstraate aus dem Reigen der späten, elegischeren Stücke das Mutter-Tochter-Quälduell Am Ziel ausgesucht.
Salzburgs verehrungswürdige "Duse" Julia Gschnitzer hat sich das sadomaochistische Gustostückerl für jede "Bühnenherrin" von Rang zum Siebziger selbst ausgesucht - und zum bejubelten Finale gab es am samstägigen Premierenabend denn auch Blumen für eine bemerkenswerte Darstellerin, die es offenbar gar nicht glauben konnte, welche Wirkung ihre spitzenartig ausgesponnenen, großmütterlich feinen Foltermethoden erzielen.
Unleugbar zeigte es sich bei der Wiederbelebung eines mehr als zwanzig Jahre alten Salzburger Festspielerfolges, dass die einst so provokanten, nihilistischen Exzesse und sprachlichen Menschenzerfleischungen des Autors einigermaßen Staub angesetzt haben. Bernhards Entblößungen humaner Höllen aus Verachtung und Ausweglosigkeit sind längst Theatergeschichte geworden, ganz wie ihre psychologisch-realistischen Vorläuferwerke aus dem 19. Jahrhundert. Wobei die Nähe zu Tschechow und Ibsen keinen Makel bedeuten muss - was man auch dem geheimnisvollen Herbstlaubgewisper des Norwegers Jon Fosse ablauschen mag.
Den Alterungsprozess von Inhalt und Sprachsubstanz der Bernhardschen Tiraden kann indes auch die brillante Julia Gschnitzer nicht aufhalten. Die spielt die Rolle einer übermächtigen, vom eigenen Leben zerstörten Mutter in Richtung einer komischen, grotesk entgleisenden Cognac-Alten. Die unerbittliche Schärfe der Uraufführungs-Rollenschöpferin Marianne Hoppe bringt sie hingegen nicht aus Eigenem auf.
Auch Britta Bayer erreicht als töchterliche Knechtsfigur nicht ganz jenen Grad an existenzieller Erstickung aller Lebensmöglichkeiten, kraft dessen die wahrhaft beredten, die halbstummen Thomas-Bernhard-Rollen überhaupt erst anfangen, von überragendem Interesse zu sein.
Der glücklose Dritte im Bunde der liebevollen, ausweglosen Hassbeziehungen ist Gerhard Peilstein im Part des "Dramatischen Dichters". An dieser Figur entlädt der Autor seine ganze angesammelte Kunstfeindschaft: Sie hat fast nichts zu sagen, und müsste doch vergehen vor lauter Langeweile und Leidensüberdruck.