Wien - "Der Bedarf an Coaching nimmt zu. Führungskräfte machen hier die Vorreiter, wenn sie mit kompetenten Personen über ihre Probleme sprechen." Den entscheidenden Unterschied zwischen dem üblichen Sichausreden und dem Coaching definiert die Psychoanalytikerin Rotraut Perner so: "Macht und Status bleiben beim Coaching gewahrt." Das sei auch der Grund, warum es Männer mit Arbeitsleid eher in die Bars oder zu Freunden zieht als zu einer Aussprache mit ihren Frauen zu Hause, fügte Perner dieser Tage bei einer Podiumsdiskussion in der Investkredit hinzu, bei der über die "Kultur des Teilens" diskutiert wurde, Titel und zentrales Thema ihres jüngsten Buches (erschienen bei Überreuter). "Knallharte Rhetorik" Investkredit-Abteilungsdirektorin Claudia Schmied stört die "knallharte" Rhetorik im Wirtschaftsleben, die gegen das Teilen spreche. Wenn ständig von "Kriegskassa" oder "Kriegen im Nadelstreif" gesprochen werde oder von Kampf, Autorität, Macht und Wachstum. "Die Gier nach immer mehr und immer schneller wird enorm wirksam." Solche Sprachbilder schaffen Wirklichkeit und bilden die emotionale Grundlage des Handelns. So entsteht der Eindruck, "dass der Skrupellosere das Rennen macht". Der nächste Schritt müsse laut Schmied auch in der Wirtschaft darin bestehen, "wieder mehr im Kollektiv zu leben und daraus innovative Prozesse zu starten". Mehr Kommunikation Für mehr Kommunikation innerhalb eines Betriebes müssen Zeit und Plattformen geschaffen werden. "Persönliche Gespräche müssen aber organisiert werden", ist Schmied überzeugt. Aus dem Publikum kommt Zustimmung: Gerade bei Finanzberatern komme es auf einen "liebevollen Umgang" mit den Kunden an, die man dort abholen müsse, wo sie stehen. Auch Caritas-Präsident Franz Küberl wehrt sich gegen die gängige "Unkultur des Teilens", ein weltweites Phänomen. Darunter versteht er "das Unvermögen zu kapieren, dass man selber nur überleben kann, wenn andere überleben". Teilen können seiner Meinung nach aber nur Menschen, die sich selber mögen. "Wer sich selbst nicht riechen kann, stinkt auch den anderen", bemüht Küberl ein Zitat. (Lydia Ninz, DER STANDARD, Printausgabe 4.3.2002)