Kabul/Washington - US-Soldaten und ihre afghanischen Verbündeten haben am Wochenende die bisher größte Bodenoffensive des Afghanistan-Kriegs gestartet. Mit massiver Unterstützung der Luftwaffe griffen sie vermutete Taliban- und El-Kaida-Verstecke im Osten des Landes an. Dabei wurden nach Militärangaben neuartige Bomben eingesetzt, die den Höhlenkomplexen in den Bergen mittels starker Hitzeentwicklung den Sauerstoff entziehen sollen. Die so genannten thermobarischen Bomben waren erst im Dezember getestet und Anfang des Jahres in die Region geschafft worden. Die Spezialbomben entziehen den Höhlen mit Hitze und Druck die Atemluft. Die 900-Kilo-Bomben sind sehr treffsicher, da sie mit Lasertechnik in die Höhlenöffnungen gelenkt werden können, verlautete aus US-Militärkreisen. US-Kampfflugzeuge und -hubschrauber bombardierten Ziele in der Provinz Paktia, während rund 1.500 afghanische, amerikanische und kanadische Soldaten am Boden vorrückten. Ein Sprecher der US-Armee in Kandahar sprach am Sonntag von schweren Gefechten im Gebiet der Schah-i-Kot-Berge. Die Taliban- und El-Kaida-Kämpfer setzten sich mit Artillerie, Mörsergranaten und Maschinengewehrfeuer zur Wehr. Militärbeobachtern zufolge markierte die Operation eine neue Kampfstrategie der US-Truppen in Afghanistan. Diese hatten die Bodenoffensiven bisher ihren örtlichen Verbündeten überlassen und sich auf Luftangriffe konzentriert. Offenbar war die Offensive vom Samstag aber nicht sonderlich erfolgreich. Die afghanischen Bodentruppen brachen den Angriff am Nachmittag ab und zogen sich nach Gardes zurück. Ein Einwohner der pakistanischen Grenzstadt Miran Shah erklärte, die Offensive sei gestartet worden, nachdem El-Kaida-Führer ein Angebot der örtlichen afghanischen Behörden zur Kapitulation abgelehnt hätten. Bei den Kämpfen am Samstag kamen ein US-Soldat und drei afghanische Regierungssoldaten ums Leben, mehrere weitere wurden verletzt. Ein Dorfbewohner erklärte am Sonntag, die Angriffe seien auch in der Nacht fortgesetzt worden. Suche nach flüchtigen Kämpfern Ein pakistanischer Regierungsvertreter sagte, sein Land habe alle Verkehrswege gesperrt, um eine Flucht der Taliban- und El-Kaida-Anhänger zu verhindern. Ein 100 Kilometer langer Grenzabschnitt sei abgeriegelt worden. Auf der Suche nach flüchtigen Kämpfern richteten richteten afghanische und US-Truppen Kontrollpunkte an zwei wichtigen Straßen bei Chost südlich von Gardes ein. Offiziellen afghanischen Angaben zufolge formieren sich die Kämpfer in den Bergen der Provinz Paktia und im benachbarten Pakistan neu. Schätzungen zufolge befinden sich auch noch etwa 5.000 Ausländer in Afghanistan, die auf Seiten von Taliban und El Kaida kämpften. Afghanische Soldaten berichteten, an ihrer Seite kämpften bis zu 60 US-Soldaten als Berater. Die anderen Verbündeten, die sich am Einsatz beteiligen, wurden nicht identifiziert. Bekannt ist, dass Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Australien und Kanada Elitesoldaten nach Afghanistan geschickt haben, um den USA bei ihrem Feldzug gegen den internationalen Terrorismus zu helfen. Unbekannt blieb weiterhin, wo sich der gesuchte Moslem-Extremist Osama bin Laden und der frühere Taliban-Chef Mullah Mohammad Omar aufhalten. Der Gouverneur der Provinz Paktia in Gardes sagte der Nachrichtenagentur Reuters, sie hielten sich wahrscheinlich nicht im Gebiet der gegenwärtigen Offensive auf. El-Kaida-Chef bin Laden wird für den Tod von 3100 Menschen bei den Anschlägen des 11. September in den USA verantwortlich gemacht. Die Taliban, die bis Ende 2001 große Teile Afghanistans fünf Jahre lang beherrschten, hatten der Kaida Gastrecht gewährt. Schutzmaßnahmen Nach erneuten Angriffen auf Soldaten der internationalen Schutztruppe in Afghanistan will der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping weitere Schutzmaßnahmen für die 770 deutschen Soldaten vor Ort prüfen. Im Rahmen des deutschen Kontingents sind auch Österreicher in Afghanistan. Der SPD-Politiker bestätigte laut "Bild am Sonntag", dass das deutsche Truppenkontingent in Kabul mögliches Ziel für Terrorangriffe sei. "Ich habe höchste Wachsamkeit angeordnet", zitierte das Blatt den SPD-Politiker. Ein Ministeriumssprecher sagte, die Bundeswehr habe in Kabul zum Schutz der Soldaten und des Lagers angemessen reagiert und sei in der Lage, auf Angriffe zu reagieren. Die Gefahrenlage sei jedoch nicht neu. (APA)