Geschlechterpolitik
Abtreibung nur bei "substantiellem Risiko für das Leben der Frau"
Irlands Ministerpräsident erntet für Gesetzesentwurf Lob der Kirche - Kritik von Opposition und Jugend
Wie die am Mittwoch stattfindende Volksabstimmung über die begrenzte Legalisierung der Abtreibung ausgehen wird, ist noch ungewiß. Sicher hingegen ist bereits jetzt, dass die Meinungen der Bevölkerung erheblich auseinander gehen und der Schock über den bereits 10 Jahre zurückliegenden "Fall X" noch immer tief sitzt.Verbot der Abtreibung nach Vergewaltigung
Eine schwangere 14-Jährige, die von
einem Freund ihres Vaters vergewaltigt worden war, wollte zur
Abtreibung nach England fahren, was ihr aber mit Hinweis auf die irische Gesetzgebung verboten wurde. Die
Regierung begrüßte diese Entscheidung, der Oberste Gerichtshof hob
sie jedoch auf, nachdem die Schülerin mit Selbstmord gedroht hatte.
Noch vor der geplanten Reise nach England hatte sie dann eine
Fehlgeburt.
Verfassungsänderung nötig zur Legalisierung
Die Verfassung des streng katholischen Landes schließt Abtreibungen aus. Dies wurde in einem
Referendum 1983 mit überwältigender Mehrheit gebilligt und 1986
nochmals bestätigt, was aber im direkten Widerspruch
zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1992 steht. Demnach können
Abtreibungen gewährt werden, wenn das Leben der werdenden Mutter
ernsthaft bedroht ist, wobei insbesondere die Selbstmordgefahr als
möglicher Legalisierungsgrund genannt wurde.
Rund 6500 Frauen jährlich zur Abtreibung in England
Die damalige Regierung wollte Frauen fortan grundsätzlich einen
Schwangerschaftsabbruch erlauben, wenn Ärzte deren Leben für
gefährdet halten. Doch dies wurde in einer Volksabstimmung verworfen.
Damit besteht in Irland seit zehn Jahren ein rechtliches Vakuum, so
dass kaum ein Arzt bereit ist, unter Berufung auf den "Fall X" eine
Abtreibung vorzunehmen. Folglich reisen irische Frauen, die den
Eingriff wünschen und es sich leisten können, weiterhin nach
Großbritannien - nach offiziellen Zahlen sind es jedes Jahr rund
6.500.
Selbstmordgefahr irrelevant, Kirche gibt dazu Segen
Dem neuen Gesetzentwurf der Regierung zufolge sollen Abtreibungen erlaubt sein, "wenn
es notwendig ist, ein echtes und substanzielles Risiko für das Leben
der Frau zu verhindern, das aber nichts mit Selbstzerstörung zu tun
haben darf". Die Drohung mit Selbstmord soll also kein Grund mehr für
einen Schwangerschaftsabbruch sein, stattdessen muss eine echte
medizinische Indikation vorliegen. Außerdem soll die so genannte
Pille danach legalisiert werden.
Die geplanten Neuregelungen haben sogar den Segen der katholischen
Kirche erhalten. Diese hat sich stets dagegen gewandt, dass Frauen
zwecks Genehmigung einer Abtreibung theoretisch nur mit Selbstmord zu
drohen brauchten. Einige Psychologen, sogenannte "Experten", bestärkten die
Koalitionsregierung in
der Argumentation, dass es für einen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen einem Suizid und einem verwehrten Schwangerschaftsabbruch
bislang keinerlei Nachweise gebe. Gegner des Entwurfs sehen in dieser
Auffassung eine besondere Gefährdung der betroffenen Frauen.
Opposition und Jugendliche gegen Gesetzesentwurf
Die wichtigsten Oppositionsparteien Fine Gael und Labour Party
lehnen die Regierungsvorschläge ab, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der Labour Party vor allem geht die Liberalisierung nicht weit genug. Aus letzterem Grund gehören auch gerade junge Leute zu den schärfsten Kritikern des Reformvorhabens.
Ausgang ungewiß
Umfragen zufolge sind die BefürworterInnen einer Gesetzesänderung mit
knapp 40 Prozent zwar in der Mehrheit, doch für ein In-Kraft-Treten
ist eine Zustimmung von mehr als 50 Prozent erforderlich. Ob dies
erreicht werden kann, scheint fraglich. Allerdings hat sich gut ein
Fünftel der WählerInnen noch nicht entschieden.
(apa)