London/Dublin - Seit die britische "Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie" (HFEA) letzte Woche grünes Licht für die Vorselektion von befruchteten Eizellen gab, um einem kleinen Buben das Überleben zu ermöglichen, sind mindestens sechs weitere derartige Gesuche in Großbritannien bekannt geworden.Shahana und Raj Hashmi aus Leeds (England) wollen nun durch In-vitro-Fertilisation (IVF) ein Kind zeugen, das ihrem zweijährigen Sohn Zain die Heilung von der sonst infolge Organschädigung tödlichen Blutkrankheit Thalassämie erlaubt. Die ÄrztInnen werden aus den Embryonen jene zur Einpflanzung auswählen, die nicht nur frei von dieser Krankheit sind, sondern auch im genetischen Aufbau des Immunsystems dem älteren Bruder möglichst nahe kommen. Gleich bei der Geburt werden dann der Nabelschnur des Säuglings Stammzellen entnommen, aus denen im Labor das benötigte Transplantat entwickelt wird. Der Erfolg des komplexen Verfahrens ist allerdings keineswegs garantiert. Genehmigung nötig Großbritannien erlaubt seit kurzem die genetische Selektion nach vorheriger Genehmigung. In den USA wurde das Verfahren im Jahre 2000 erstmals eingesetzt. Die britischen Medien haben dem Fall in den letzten Tagen große Aufmerksamkeit gewidmet. Die weit verbreitete Befürchtung, dass Eltern ihren Nachwuchs künftig nach ästhetischen oder anderen "frivolen" Kriterien auswählen könnten, erscheint gegenstandslos. Denn die HFEA muss in jedem einzelnen Fall zustimmen, wenn bei IVF gezielt selektiert werden soll. Alle anhängigen Ansuchen stammen von Eltern, die ein krankes Kind durch Zeugung eines weiteren, kompatiblen retten wollen. Anti-Abtreibungsgruppen rügten die Entscheidung der HFEA mit der Begründung, das neue Leben werde ausschließlich aufgrund von Nützlichkeitserwägungen geboren, und nicht, weil es erwünscht sei. Die katholische Kirche wiederholte ihre Bedenken gegen die IVF an sich, während die anglikanische Kirche empfahl, derartige Entscheidungen erst nach Abwägung der individuellen Begleitumstände zu fällen. (STANDARD-Korrespondent Martin Alioth) (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 26.2. 2002)