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Brüssel - Der Streit um das "Gemeinschaftspatent" dauert zwar immer noch an, denn die EU-Mitgliedstaaten können sich weiter nicht einigen, in wie vielen Sprachen dieses einheitliche Patent für die gesamte EU formuliert sein muss. Doch von diesem grundsätzlichen Konflikt unbeeindruckt, hat die EU-Kommission unterdessen einen Richtlinienvorschlag für ein Softwarepatent vorgelegt (DER STANDARD berichtete). Dabei soll allerdings nicht mit der europäischen "Patentierungstradition" gebrochen werden: Anders als in den USA wird es auch nach dieser Richtlinie künftig kein Patent auf Software als solche geben. Dies ist nämlich bereits durch Artikel 52 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) ausgeschlossen. Geregelt würde in der EU-Richtlinie allein die Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen. Das entscheidende Kriterium ist, dass ein "technischer Beitrag" in dem neuen Produkt enthalten ist. Dieser muss den Stand der Technik bereichern - also eine Neuerung bringen. Technischer Beitrag Ein technischer Beitrag liegt zum Beispiel vor, wenn Verbesserungen bei der Ausführung von Verfahren auf Computern erzielt werden - solange ein physikalischer und nicht nur ein inhaltlicher Prozess beeinflusst wird. Das wäre bei einem Röntgengerät der Fall, das so von einer Computereinheit gesteuert wird, dass optimale Betriebsbedingungen hergestellt werden. Ein technischer Beitrag liegt hingegen nicht vor, wenn nur die Art der Daten oder die Verarbeitung der Daten durch ein Programm betroffen sind. Auch die reine Computerisierung einer schon bekannten Technik wäre kein "technischer Beitrag". Das Kriterium des technischen Beitrags verhindert auch in Zukunft, dass dass mathematische Konzepte, logische Konstrukte oder Geschäftsmethoden, die keinen Bezug zur materiellen Welt haben, Patentschutz bekommen könnten. Dass die Kommission bei ihrem Richtlinienentwurf hier so genau auf die Abgrenzung achtet, liegt daran, dass das Patentrecht klar vom Urheberrecht unterschieden werden muss. Denn dieses ist für den Schutz von "Inhalten" vor unerlaubtem Gebrauch zuständig, jenes für den Schutz von technischen Verfahren. Begrenzt innovativ Der Richtlinienvorschlag der Kommission ist dabei nicht ganz so innovativ, wie er auf den ersten Blick aussieht: Schon seit den 70er-Jahren müssen sich die Patentbehörden der einzelnen Staaten, das Europäische Patentamt in München und die zuständigen Gerichte mit Softwareproblemen herumschlagen. Seit Inkrafttreten des EPÜ im Jahr 1978 wurden bereits über 30.000 Patente mit Softwarebezug erteilt. Dabei hat sich eine Entscheidungspraxis entwickelt, die die Brüsseler Behörde nun in einen festen und einheitlichen Rahmen gießen will. Mit der neuen Richtlinie würde nichts patentierbar, was nicht jetzt schon patentierbar ist. Die gemeinsamen EU-Maßstäbe scheinen aber dennoch nötig, weil die Lösungen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten für die Softwarepatentierung gefunden wurden, im Detail voneinander abweichen. Das schafft für Unternehmen, die in der gesamten Union tätig sind, Rechtsunsicherheiten, die Brüssel durch Harmonisierung beseitigen will. Die EU-Kommission will durch ihre Initiative eine Lücke schließen, die das Europäische Patentamt - das mit der EU rechtlich und institutionell nichts zu tun hat - mit den Mitteln des EPÜ nicht schließen kann. Der Kommissionsvorschlag muss nun noch vom EU-Rat und vom Europäischen Parlament angenommen werden. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 26.2.2002)