Als im kriegswunden Österreich des Jahres 1917 immer mehr Unternehmen abwandern wollten, beschloss die Regierung dafür eine Form der "Bestrafung": Wer Österreich den Rücken kehrte, musste zuvor seine Arbeitnehmer abfinden. Diese Kriegsnotverordnung hat die folgenden 85 Jahre locker überlebt, auch wenn sie bereits den gegenteiligen Effekt als den damals angestrebten hat: Ausländische Unternehmen, die sich in Österreich ansiedeln wollen, staunen oft nicht schlecht, welche Lohnnebenkosten so anfallen, und überdenken manchmal ihre Pläne - und österreichische Firmen lagern Produktionen in "Billiglohnländer" aus.Das Relikt aus 1917 wird es aber vermutlich auch noch weitere 85 Jahre geben - nicht einmal die Interessenvertreter der Wirtschaft wagen über die Abfertigung eine prinzipielle Diskussion zu beginnen. Im Österreich von Kronen Zeitung und FPÖ wäre das vermutlich politischer Selbstmord. Deswegen wird jetzt mit dem Modell "Abfertigung neu" versucht, den Charakter der Abfertigung stärker in Richtung Pensionsvorsorge zu verändern. Ein logischer Schritt, ist die Abfertigung doch schon bisher eine Art "Zwangssparform": ein Teil des Gehaltes, der nicht sofort ausgezahlt, sondern angelegt und unter bestimmten Voraussetzungen ausgezahlt wird. Mit der "Abfertigung neu" nehmen die Arbeitnehmer ihre Ansprüche nun auch im Rucksackprinzip zu neuen Arbeitgebern mit, die Abfertigung wird endgültig zu einem steuerlich geförderten Pensionssparkonto. Deswegen ist die Forderung der Wirtschaftskammer auch gerechtfertigt und sinnvoll, diese steuerlichen Vergünstigungen auch Unternehmern zugänglich zu machen: Auch sie haben ein Recht auf eine steuerlich begünstigte Altersvorsorge. (DER STANDARD, Printausgabe 26.2.2002)