Mit der Äußerung des ungarischen Premiers Viktor Orbán sind die Benes-Dekrete auf dem besten Weg, zu einem der zentralen Themen des Wahlkampfs für die tschechischen Parlamentswahlen im Juni zu werden. Nach der Absage des Visegrád-Gipfels durch den sozialdemokratischen Premier Milos Zeman ist am Wochenende die größte Oppositionspartei, die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Parlamentspräsident Václav Klaus, aufgesprungen. Die ODS fordert nun von der Regierung, sie solle in den Beitrittsverhandlungen mit der EU auf einem Zusatzprotokoll bestehen, mit dem jeder Forderung nach Aufhebung der Dekrete ein Riegel vorgeschoben würde. Außenminister Jan Kavan hat die Forderung der ODS bereits abgelehnt. Dennoch wird Klaus' Vorstoß der Regierung auch aus einem anderen Grund Probleme bereiten. Die ODS lehnt nämlich jede Art von symbolischer Geste ab, zu welcher die Regierungspartei in den letzten Wochen bereit schien. Außenminister Kavan brachte etwa eine symbolische Entschädigung von sudetendeutschen Widerstandskämpfern ins Spiel. Auch im Parlament soll es bereits erste Sondierungen zwischen den Parteien (mit Ausnahme der ODS und der Kommunisten) gegeben haben mit dem Ziel, nach den Wahlen eine parteiübergreifende Resolution zu verabschieden. Darin sollten die Parlamentarier unter anderem ihr Bedauern über die Ereignisse nach 1945 zum Ausdruck bringen. (Standard-Korrespondent Robert Schuster aus Prag, Der Standard, Printausgabe, 25.02.02)