Wien - Jetzt heißt es Tempo vorlegen. Österreich muss eine letzte Frist nutzen und bis zum Juli sein - nach EU-Recht gleichheitswidriges - Nachtarbeitsverbot für Frauen streichen und endlich eine geschlechtsneutrale Regelung installieren. Passiert dies nicht, hängt man ab Juli faktisch im rechtsfreien Raum, bestätigt der oberste Sozialpolitiker der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Martin Gleitsmann, auf Anfrage des S TANDARD . Dafür, dass es jetzt schnell gehen muss, liegen die Positionen von Arbeitgebern und -nehmern aber noch sehr weit auseinander. Die gesetzliche Anpassung hätte eigentlich - nach vierjähriger Galgenfrist - schon mit 1. Jänner 2002 passieren müssen, weshalb das Nachtarbeitsgesetz derzeit nur mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), nicht aber mit den EU-Vorgaben konform geht. Derzeit spießt es sich aber noch kräftig. Allem voran beim strittigen Punkt der "Zeitgutschriften".

Guthaben

Die Gewerkschaft (ÖGB) will für jede Stunde Nachtarbeit künftig ein Guthaben von zehn Minuten aushandeln. "Das ist schlichtweg überzogen und würde einfach zu teuer", will Gleitsmann hier "sicher nicht nachgeben". Schließlich würde dies in einer Vielzahl von Branchen (vom Gastgewerbe über Nahrungsmittel, Gesundheit, Verkehr, Druck, Metall bis zu Papier und Soziales) schlagend werden.

Nach Angaben der Statistik Austria jobben dort derzeit 269.400 Männer regelmäßig in der Nacht (13,1 Prozent der erwerbstätigen Männer) und 109.300 Frauen (6,7 Prozent). Und auch die EU kenne solche Zeitgutschriften nicht, meint der Sozialexperte ablehnend.
Der ÖGB will als Nachtzeitraum zudem die Spanne von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens festlegen. Als Nachtarbeiter sollen außerdem all jene gelten, die "an mindestens 20 Tagen pro Jahr während der Nacht mindestens zwei Stunden" werken. "Das ist uns viel zu unflexibel", wehrt Gleitsmann ab. Die EU spreche vielmehr von der Möglichkeit, dass "durchschnittlich acht (von 24) Stunden Nachtarbeit geleistet werden können.

Untersuchungen

Mit der Forderung nach verpflichtenden arbeitsmedizinischen Untersuchungen gehen die Arbeitgeber zwar d'accord, aber schon beim nächsten Punkt driften die Positionen wieder auseinander.

So will der ÖGB für Nachtjobber einen gesetzlichen Anspruch auf einen Tagesarbeitsplatz installieren, wenn seine Gesundheit gefährdet ist, Betreuungspflichten für Kinder unter zwölf Jahren oder die Pflege eines nahen Angehörigen anfallen.

Tagesschicht

Den Arbeitgebern ist auch dabei die EU-Richtlinie näher. Dort wird Nachtarbeitern, die durch diesen Job gesundheitlich angeschlagen sind, "nach Möglichkeit", aber nicht gesetzlich fixiert, ein Wechsel in die Tagesschicht in Aussicht gestellt. Die Arbeitnehmer wollen außerdem die sichere Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes und die Möglichkeit für eine warme Mahlzeit während der Nacht gewährleistet sehen. Kommentar der Unternehmerseite: "Davon weiß die EU-Vorgabe nichts."

(Monika Bachhofer, Der Standard, Printausgabe, 25.02.2002)