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Punjab im Februar 2002

Die Pest: Die bislang geschichtsträchtigste aller Krankheiten ist in Indien wieder aufgeflammt. Die über Flöhe von Nagetieren - besonders von Ratten - übertragene Krankheit ist auch Jahrhunderte nach den Seuchenzügen des Mittelalters noch nicht vollständig besiegt. Jedes Jahr werden Erkrankungen und Todesfälle registriert - auch in einem so hoch entwickelten Land wie den USA. Armut und miserable hygienische Bedingungen in vielen Ländern der Erde sind der Nährboden.

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In der Literatur

In seinem beklemmenden und zugleich berührenden Roman "Die Pest" hat Albert Camus den Beginn eines solchen Seuchenzuges im algerischen Oran folgendermaßen beschrieben: "Am selben Abend stand Bernard Rieux (Arzt und Hauptgestalt des Werkes) unten am Hauseingang und suchte seine Schlüssel, bevor er in seine Wohnung hinaufstieg. Da sah er aus dem Dunkel des Gangs eine dicke Ratte auftauchen, mit feuchtem Fell und unsicherem Gang. (...)

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Albert Camus

(...) Das Tier blieb stehen, schien sein Gleichgewicht zu suchen, wendete sich gegen den Arzt, blieb wieder stehen, drehte sich mit einem leisen Schrei im Kreis und fiel schließlich zu Boden, wobei aus den halbgeöffneten Lefzen Blut quoll. Der Arzt betrachtete es einen Augenblick und ging hinauf."

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Ratten

Vor den Menschen sterben die Nager an der Pest. Ganz wie es beschrieben wird: wenn Massen von verendeten Ratten außerhalb ihrer Schlupflöcher gefunden werden, ist ein Krankheitsausbruch unter Menschen oft nicht weit. Diese Abfolge beobachtete man beispielsweise auch bei einem Ausbruch der Seuche im Juni 1993 in Norduganda mit letztlich mehr als 30 Toten.

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Der Überträger: Ein Rattenfloh

Die Pest wird zwischen den Nagetieren durch deren Flöhe übertragen und kann auf Menschen überspringen, wenn die Flöhe sie beißen. Wie bei vielen "Zoonosen", also Krankheiten aus dem Tierreich, die Menschen betreffen können, wirkt sie sich beim Menschen als schwere Erkrankung aus. "Unbehandelt sterben 50 bis 60 Prozent der Erkrankten", schrieb die Weltgesundheitsorganisation WHO vergangenes Jahr in ihrem Bericht über infektiöse Krankheiten.

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Der Erreger: Das Bakterium Yersinia pestis

Es gibt drei Varianten der Krankheit: Am gefährlichsten ist die Lungenpest, was die Übertragung betrifft. Sie erfolgt durch Tröpfcheninfektion (Husten). Die "Beulenpest" äußert sich durch riesig aufgeschwollene bis sogar aufbrechende Lymphknoten. Ohne Behandlung tödlich verläuft die "septikämische" Pest, bei der es zu einer Blutvergiftung kommt.

Weitere Informationen:
Yersinia pestis
Informationen für Reisende

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Prominentes Pest-Opfer?

Kein Wunder, dass diese im Christentum später zu einem der "apokalyptischen Reiter" erklärte Krankheit die Menschen immer schon berührte. Im Jahr 180 könnte ihr - so lautet zumindest eine der Thesen über seinen Tod - im Feldlager Vindobona der römische Kaiser Marc Aurel erlegen sein.

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Die erste Pandemie

Im 6. Jahrhundert wütete in weiten Teilen Europas, Afrikas und Asiens die aus Südasien stammende "Justinianische Pest": ob es sich dabei tatsächlich um Beulenpest handelte - und wenn ja: ob es die gleiche war, die im Mittelalter zu den bekannten verheerenden Pestwellen führte - ist unter Experten umstritten. WHO-Schätzungen ihrer Opferzahl belaufen sich auf bis zu 100 Millionen: es war die erste bekannte Pandemie.

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Rückkehr nach Europa

600 Jahre lang wurde die Krankheit danach nicht mehr registriert, bis 1348 drei Handelsschiffe aus dem Orient im Hafen von Messina in Sizilien einliefen. Sie hatten wirklich die "Pest an Bord" - ob die schon bekannte oder (wahrscheinlicher) eine neue Pest-Variante, ist bis heute ungeklärt. Über Schiffe wurde die Krankheit nach Pisa, Florenz und Venedig gebracht.

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War es "Ebola"?

Eine ganz andere Hypothese sorgte in jüngster Zeit für Aufsehen: Nach Meinung zweier britischer Forscher sei der historische "Schwarze Tod" in Wahrheit ein Ebola-ähnliches Fieber gewesen. Dafür spreche, dass die einzige als wirksam überlieferte Schutzmaßnahme gegen den "Schwarzen Tod" eine 40-tägige Quarantäne gewesen sei - was für eine Direkt-Infektion von Mensch zu Mensch spreche, nicht den bekannten Pest-Übertragungsweg über Rattenflöhe. "Die Geschichtsbücher liegen falsch", behaupten Prof. Christopher Duncan und seine Kollegin Prof. Susan Scott - mehr dazu hier.

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Millionen Opfer

Doch was es auch war: Die Ausmaße dieser Krankheitswelle waren verheerend. In Venedig zählte man 100.000 Tote - das entsprach drei Viertel der Bevölkerung. In Deutschland galt es innerhalb eines halben Jahres 500.000 Tote zu beklagen. Im Sommer 1349 wurden über 40.000 Einwohner von Wien Opfer des 'Schwarzen Todes'. Insgesamt wurden an die 25 Millionen Tote durch diese Pestwelle in Europa gezählt.

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"Pest-abwehrendes" Gewand eines Arztes aus dem 17. Jahrhundert

Die Krankheit tobte in Europa bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Erst rigorose Hygieneanordnungen - die Häuser der Erkrankten oder Verstorbenen wurden zum Beispiel ausgeräuchert - und Fortschritte in der Kommunalverwaltung wie Straßensäuberung und Abfallbeseitigung entzogen dem Wüten der Pest schließlich den Boden.

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Broschüre zur Entdeckung des Pesterregers durch Shibasaburo Kitasato und Alexandre Yersin 1894

Auf die ersten beiden Pandemien (eben die "Justinianische Pest" und die Welle im 14. Jahrhundert) folgte ab 1884 von Kanton und Hongkong ausgehend ein dritter Seuchenzug, der bis 1908 andauerte. Allein in Indien gab es dadurch von 1898 bis 1908 rund sechs Millionen Tote.

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Die Pest-Verbreitung heute

Besiegt ist die Krankheit bei weitem nicht: Von 1954 bis 1997 wurden weltweit rund 80.613 Pestfälle registriert. Die Zahl der Todesopfer belief sich auf 6.587. Infizierte Nagetiere (Ratten etc.) gibt es heute im gesamten Westen der USA, im südlichen Afrika sowie in weiten Teilen Asiens, nicht jedoch in Australien.
(Zur Karte links: orange sind Länder mit Pestfällen bei Tieren, rot solche mit Fällen bei Menschen)

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Zahl der Pestfälle im 20. Jahrhundert: 1954 bis 1996

Während Europa von Erkrankungsfällen in der jüngeren Vergangenheit verschont blieb, gibt es sowohl in Nord- als auch in Südamerika jedes Jahr wieder die Pest. In Brasilien, Peru und den USA wurden von 1994 bis 1997 jedes Jahr wieder Pest-Fälle beobachtet. 1980 bis 1997 waren es am amerikanischen Kontinent insgesamt 3.137 Erkrankungen mit 194 Todesfällen. Da die meisten Betroffenen schnell mit Antibiotika behandelt wurden, lag dort die Sterblichkeitsrate bei 6,2 Prozent.

Grafik: WHO

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September 1994 im indischen Surat

1999 wurde die Pest in 14 Staaten der Erde mit insgesamt 2.603 Erkrankungen und 212 Todesfällen registriert. Zuletzt weltweit für Aufsehen sorgte ein Ausbruch in Indien im Herbst 1994. Er wurde allerdings später von Fachleuten überhaupt als solcher bezweifelt. Laut indischen Angaben starben damals 57 Menschen. Mikrobiologen bezweifelten das und sprachen von einer "Medienente".

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Ausbreitung durch Massentourismus

Die Weltöffentlichkeit reagierte jedenfalls ziemlich heftig: In Europa inklusive Österreich wurden gar rigorose Kontrollen des Flugverkehrs und von Flugreisenden erlassen. Aussicht auf eine echte Kontrolle der Ausbreitung durch solche Maßnahmen besteht allerdings im modernen Flugverkehr mit täglich Millionen Passagieren kaum.

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Eine Pest-Patientin im indischen Himachal Pradesh

Zur Beherrschung von Krankheitsausbrüchen stehen vor allem die traditionellen seuchenhygienischen Maßnahmen wie Isolation der Erkrankten und deren sofortige Behandlung mit Antibiotika zur Verfügung. Viel besser wäre es natürlich, man könnte das Auftreten der Seuche durch eine Gewährleistung akzeptabler hygienischer Verhältnisse weltweit verhindern. Eine Impfung gibt es, doch die wird nur für Risikopersonen empfohlen, zum Beispiel für das Gesundheitspersonal.

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Der Aufbau von Streptomycin

An sich wirken seit Jahrzehnten bekannte Antibiotika wie Streptomycin, Chloramphenicol und Tetrazyklin sehr gut gegen die Pesterreger. Doch 1995 sorgten Meldungen aus Madagaskar für Aufregung: Ein 16-jähriger Bub war an Pest erkrankt. Experten des nationalen französischen Referenzlabors für Antibiotika in Paris machten bei der Untersuchung der Erreger dann ausgesprochen unangenehme Entdeckungen:

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Die Zukunft?

Die Yersinia pestis-Keime waren gegen die Antibiotika Ampicillin, Chloramphenicol, Kanamycin, Streptomycin, Spectinomycin, Sulfonamid, Tetrazyklin und Minocyclin resistent. - Auch wenn der Patient durch die Gabe eines anderen Medikaments schließlich gerettet wurde: Antibiotika-resistente Keime sind weltweit auf dem Vormarsch. Die Pest - mag sie aus historischen Gründen auch mit dem größten Angst-Potenzial behaftet sein - ist nur einer von vielen. (APA/red)

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