Europa
Annäherung in Streitpunkten um deutsche NS-Entschädigungsstiftung
Lösungsansätze nach Kuratoriumssitzung
Berlin - Im Streit um die Finanzen der deutschen
Stiftung zur Zwangsarbeiter-Entschädigung zeichnet sich im Kuratorium
in einigen Punkten eine Annäherung ab. Teilnehmer der
Kuratoriumssitzung berichteten am Donnerstag in Berlin, der
Stiftungsvorstand habe einen Bericht über die diskutierten
Finanzentscheidungen vorgelegt, den auch die bisherigen Kritiker als
Schritt zur geforderten Transparenz gewürdigt hätten. "Jetzt wissen
wir schon etwas mehr", sagte ein Teilnehmer. "Da scheint es ein
gewisses Aufwachen zu geben." Stiftungssprecher Kai Hennig sagte, das Kuratorium habe sich mit
dem Bericht vollständig zufrieden gezeigt. Dies gelte auch für den
US-Anwalt Burt Neuborne, der zuvor scharfe Kritik geübt und mit der
Wiederaufnahme einer Sammelklage in den USA gedroht hatte. Wegen der
Vielzahl der Diskussionspunkte verschob die Stiftung eine
Pressekonferenz zu den Ergebnissen von Donnerstag auf Freitag.
Opfervertreter kritisieren Wirtschaft
Der Streit betrifft die Anlage des Stiftungsvermögens und den
Beitrag der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung. Nach Meinung von
Opfervertretern hat die Wirtschaft nicht ihren vollen zugesagten
Beitrag geleistet. Strittig ist unter anderem, ob sie die
vereinbarten Zinsen weitergereicht hat, die sie auf ihren Beitrag vor
der Überweisung an die Stiftung erzielt hatte. Umstritten ist auch,
ob die Wirtschaft Zahlungen von Firmen auf ihren Beitrag anrechnen
darf, die direkt an die Stiftung zahlten. Stiftung und Wirtschaft
betonen übereinstimmend, dass die fraglichen Firmen der Anrechnung
ausdrücklich zustimmten.
Drohung mit Wiederaufnahme von Sammelklagen
Der Kuratoriums-Vertreter der Bundesverbands Beratung für
NS-Verfolgte, Lothar Evers, und der US-Anwalt Michael Hausfeld hatten
mit der Wiederaufnahme von Sammelklagen gedroht, wenn der Streit im
Kuratorium nicht gelöst werde. US-Gerichte haben frühere Sammelklagen
mit Hinweis auf die Stiftung abgewiesen, aber ihre Wiederaufnahme für
den Fall ermöglicht, dass die Wirtschaft nicht ihren vollen Beitrag
leistet.
Die Stiftung und das Verfahren zur Entschädigung der
Zwangsarbeiter war im Sommer 2000 nach zähen Verhandlungen zwischen
den Regierungen Deutschlands und der USA sowie Vertretern der
deutschen Wirtschaft und der Opfer vereinbart worden. Danach statten
Bund und Wirtschaft die Stiftung mit jeweils 2,56 Milliarden Euro
aus. Die Wirtschaft hatte ihren Beitrag, den sie nur mit Mühe unter
den Firmen sammeln konnte, vom "Rechtsfrieden" für deutsche Firmen
gegen Sammelklagen in den USA abhängig gemacht.
Kontroverse über Zinszahlungen der Wirtschaft
Die Frage der Zinszahlungen der Wirtschaft wird nach Hennigs
Angaben im Kuratorium weiter kontrovers diskutiert. Teilnehmer
sprachen von harten Auseinandersetzungen. Die gemeinsame Erklärung
zur Errichtung der Stiftung sieht vor, dass die Wirtschaft
"mindestens 100 Millionen Mark" (rund 51 Millionen Euro) an die
Stiftung zahlt. Sie sieht diese Anforderung als übererfüllt: Sie habe
nicht nur die vereinbarten 51 Millionen Euro gezahlt, sondern ihren
Gesamtbeitrag vorzeitig überwiesen, so dass die Stiftung damit
weitere 51 Millionen Zinsen erwirtschaftete. Opfervertreter wie Evers
und Hausfeld fordern aber weitere Zinszahlungen der Wirtschaft.
Nach Angaben von Teilnehmern wurde im Kuratorium die Drohung von
Opfervertretern verurteilt, wegen der Streitfragen wieder vor
US-Gerichte zu ziehen. Es sei deutlich geworden, dass die Stiftung
als deutsche Institution nur deutschem Recht unterliege und daher die
Klagen in den USA nicht zulässig seien. Ungeklärt ist den Angaben
zufolge auch der Streit, ob die deutschen Versicherungen Beiträge,
die sie bereits an eine internationale Entschädigungskommission
gezahlt haben, auf ihren Beitrag zur deutschen Stiftung anrechnen
können.(APA/Reuters)