Sebastian Prantls "Tanz Atelier" rastert von Ort zu Ort: In der ehemaligen Sporthalle in der Erdberger Hyegasse arbeiten die Gründungsväter und -mütter der Wiener Tanz-Szene an freien Verbindungen des Bewegungstheaters. Im Interview mit Ursula Kneiss erörtert Prantl die Möglichkeiten einer einmaligen Situation. Wien - Sebastian Prantls Tanz Atelier Wien eröffnet heute, 19.00 Uhr, mit der für zwei Wochen anberaumten Projektreihe raster solo, duo, trio die Halle 1030. Es handelt sich dabei um jene 1000 qm große, dem Rabenhof angeschlossene Exsporthalle in der Erdberger Hyegasse, die Karl Welunschek den Choreographen Prantl, Manfred Aichinger, Nikolaus Selimov, Bert Gstettner und Elio Gervasi und deren Ensembles zur freien Nutzung überlassen hat. Die Heizung wurde repariert, nun sind lediglich Betriebskosten zu bezahlen. Die so genannte "Tanzhalle Wien" wird von den Fünfen nicht als Alternative zum Tanzquartier betrachtet, sondern als Ort, wo zeitgenössischer Tanz und übergreifende Initiativen autonom betrieben werden können. Freilich handelt es sich gerade um jene Choreographen, die in den 80ern den zeitgenössischen Tanz in Wien etabliert haben, gut zehn Jahren um ein Tanzhaus kämpften und bislang im Tanzquartier keinen Platz gefunden haben. "Das schmerzt, das schmerzt sehr", gibt Sebastian Prantl ganz offen zu: "Wir alle wollen dort spielen! Es macht ja auch keinen Sinn, dass in der Halle G die Solisten auftreten und die großen Wiener Ensembles im kleinen Künstlerhaustheater oder WUK zu sehen sind. Frau Sigrid Gareis müsste sich schon intensiver mit uns auseinander setzen. Sie kennt uns ja kaum. Was im TQW passiert, ist mir zu wenig visionär und viel zu sehr am Markt orientiert." Freude am Off-Dasein Ansonsten ist Prantl eigentlich ganz froh, ungestört in diesem "primitiv ausgerüsteten, einmaligen Bühnenbiotop", Halle 1030, zu arbeiten. Bis Sommer werden die ästhetisch recht unterschiedlichen Choreographen und ihre Gruppen in Folge auftreten. Für Herbst plant man Überschneidungen: "Es gibt aber keinen Druck, dass wir unbedingt miteinander müssen. Doch wollen wir Kommunikationssysteme ausprobieren und auch den Nachwuchs integrieren. Das muss in unserem Alter möglich sein. Aus der pubertären Krise sind wir hoffentlich heraus." In raster geht es Prantl um das Phänomen von Zeit, Raum und Bewegung. Die fünf Tänzer arbeiten mit fixem Material, das von Aufführung zu Aufführung anders gereiht wird. Die jeweilige Abfolge ergibt sich aus der Musikzusammenstellung von Cecilia Li, die die circa dreistündigen Aufführungen live am Klavier begleitet, oder durch das Benennen des jeweiligen Segments. Das Material hat jeder Tänzer vorerst im Alleingang geschaffen: "Ich hab' mich erst spät eingebracht. Anfangs gab es nur coole, harte Soli. Dann haben wir darüber diskutiert, ob Zuneigung stattfinden soll oder nicht. Mir geht es um Kommunikation auf der Bühne. Und weil der Mensch eben zueinander will, entstanden starke Duos." Es gibt auch inhaltliche Ansatzpunkte, narrative Strukturen, ohne dass linear eine Geschichte erzählt würde. Prantl: "Wir haben alle dasselbe gelesen: die Bibel, über Woodstock oder uns mit struktureller Mathematik beschäftigt. Einfach alles aufgesaugt, verinnerlicht. Dadurch bekommt die Improvisation einen bestimmten ,Geruch', den wir alle kennen. Das ist ein sehr offener Duktus, in dem aber bekannte Muster wiederkehren. Raster ist ja auch ein sehr offener Begriff. Das gibt uns Freiheit." Einen Wunsch hat Sebastian Prantl noch: "Ich habe so viele Jahre für Individualtänzer choreographiert. Jetzt würde ich gerne ein Stück für ein hierarchisch gegliedertes Ballettensemble kreieren." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 2. 2002)