Monterotondo/Heidelberg - Es wurde lange Zeit als Wunderdroge gehandelt und gegen allerlei Leiden getestet - mit vergleichsweise geringem Erfolg: Interferon, ein Eiweiß, das der Körper bei Virenangriff absondert. So dämmt er die Virenvermehrung erfolgreich durch Verlangsamung diverser Prozesse ein. Nun haben Immunologen des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) eine bisher unbeachtete Zellenart in der Milz entdeckt, die Interferon blitzartig - quasi als schnelle Eingreiftruppe - und in rauen Mengen produziert.Der Fund verändert die Vorstellung über die Immunabwehr stark. Bisher dachte man, die körpereigene Interferon-Produktion laufe über spezielle Interferon-Rezeptoren. Nehmen diese Proteine erste Interferone im Blut war, lösen sie einen Alarm zur massenhaften Produktion dieses Abwehr-Eiweißes aus. Doch dann zeigten Vergleiche von Mäusen mit und ohne diese Rezeptoren, dass sich in beiden bei einer Infektion jede Menge Interferon bildete. Es musste also einen anderen Mechanismus geben. Den Immunologen Ulrich Kalinke verwunderte das nicht, stammten doch die Erkenntnisse über die Interferon-Rezeptoren von nur einer Zellart. „Da aber praktisch jede Zelle, entsprechend stimuliert, Insulin produziert, waren nicht viele Wissenschafter für die Suche nach jenen Zellen motiviert, die den Großteil des Interferon produzieren.“ Dennoch lag da für den glücklichen Finder nach den Worten des EMBL-Generaldirektors Fotis Kafatos in Heidelberg „ein Goldbrocken“, den es zu heben galt. Bei der ungewissen Suche danach waren nun die Forscher um Ulrich Kalinke in der italienischen EMBL-Station Monterotondo als erste fündig: Es ist eine Unterart der dendritischen Zellen in der Milz, die für die Interferon-Welle sorgt. Auch das kam überraschend, denn bisher machte man dendritische Zellen für die zweite, spezifischere Immunabwehr, weniger aber für die erste mittels Interferon verantwortlich. Lunge folgt Milz Die Erkenntnisse aus dem aktuellen "Journal of Experimental Medicine" (Vol. 195) stehen am vorläufigen Ende einer langen Geschichte, die mit der Entdeckung des Interferon bereits im Jahr 1957 begann. Alick Isaacs und Jean-Jacques Lindenmann fanden damals heraus, dass dieses Eiweißmolekül Zellen gegen Infektionen schützt. Nun wollen die EMBL-Forscher klären, ob die eben entdeckten, Interferon-produzierenden dendritischen Zellen auch in der Lunge vertreten sind. (rosch, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 2. 2002)